Der 4. März 1945 beginnt bei der Familie Schneeberger im Gundeli-Quartier wie ein normaler Tag. Die Familie isst gerade ihr Frühstück, als der Sirenenalarm aufheult. Der Alarm an sich ist in den Kriegsjahren nichts Aussergewöhnliches. Er gehörte fast zum Alltag der Baslerinnen und Basler.
Und plötzlich hat es ganz laut BUMM gemacht – und alles hat gezittert.
Die Mutter des damals neunjährigen Mario Schneeberger schaut aus dem Fenster und sieht Flugzeuge am Himmel. «Die fliegen einen Kreis, das heisst, dass sie uns bombardieren werden», ruft sie. Vater und Sohn Schneeberger machen sich zuerst über die Mutter lustig – doch nicht lange.
«Und plötzlich hat es ganz laut BUMM gemacht – und alles hat gezittert», erinnert sich Mario Schneeberger. Darauf verlässt die Familie umgehend ihre Wohnung und sucht im Keller des Hauses Schutz.
50 Bomben und 40 Verletzte
Goffredo Lörtscher ist einer dieser Verletzten. Damals ist er fünf Jahre alt und spielt auf der Terrasse seines Elternhauses, ebenfalls im Gundeli-Quartier. Plötzlich habe sein Knie schrecklich weh getan und stark geblutet. Es stellt sich heraus, dass Goffredo Lötscher von einem Bombensplitter getroffen wurde.
Lörtschers Eltern fahren mit dem kleinen Bub zum Arzt, wo die Wunde versorgt wird – bleibende Schäden hat Goffredo Lörtscher nicht.
Das falsche Ziel
Die neun Bomber der US Army Air Force fliegen von Deutschland her über Basel und werfen Bomben auf den Güterbahnhof, das Gellert- und auch das Gundeli-Quartier. Es hagelt Sprengbomben, die Hausdächer zerstören sollen, und Brandbomben, um Feuer zu legen.
Doch wieso bombardiert die USA die neutrale Schweiz? Die Flugzeuge von damals waren noch nicht mit Navigationssystemen ausgestattet. Vermutlich galt der Angriff verschiedenen Städten in Süddeutschland. Die US-Piloten bombardierten Basel wohl aus Versehen, was mehrmals während des 2. Weltkriegs passierte. Bei einem Fehl-Bombardement in Stein am Rhein starben beispielsweise neun Personen.
Mehrere Schweizer Ortschaften getroffen
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Bild 1 von 2. Im Oktober 1943 schlugen zwölf US-Bomben in Samedan und Celerina im Graubünden ein. Die Bomben wären für die deutsche Stadt Augsburg gedacht gewesen, sie wurden bei schlechter Sicht abgeworfen. Verletzt wurde niemand – aber es entstand grosser Sachschaden. Bildquelle: Keystone/Milou Steiner.
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Bild 2 von 2. Weniger Glück hatte Stein am Rhein im Kanton Schaffhausen. Bei einer versehentlichen Bombardierung der Alliierten im Februar 1945 starben neun Menschen. Bildquelle: Keystone/Milou Steiner.
Basel kam an diesem Tag mit einem blauen Auge davon. Es gab keine Todesopfer zu verzeichnen, aber 40 Verletzte, die meisten waren nur leicht verletzt. Wäre der 4. März 1945 kein Sonntag gewesen, wären ziemlich sicher Menschen zu Tode gekommen. Zum Beispiel die Arbeiter am Güterbahnhof. Sie waren am Sonntag glücklicherweise Zuhause.
Zerstörung beim Güterbahnhof
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Bild 1 von 2. Dass es keine Todesopfer gab, ist wohl dem Wochentag zu verdanken. Es war ein Sonntag und es waren keine Arbeiter im Güterbahnhof unterwegs. Bildquelle: Keystone/Walter Studer.
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Bild 2 von 2. Die Bomben zerstörten total drei Kilometer Zuggeleise. Bildquelle: Keystone/Walter Studer.
Aber auch die wohlhabende Basler Bevölkerung blieb dank des Sonntagsgottesdiensts verschont. Eine Familie aus dem Gellert-Quartier ging in die Kirche. Während sie weg waren, traf eine Bombe ihr Haus. Das Haus war leer, bis auf eine Tochter, die nicht in die Kirche gehen wollte. Sie hielt sich in einem Hinterzimmer auf und kam mit dem Schrecken davon.
Im Gundeli-Quartier können Mario Schneeberger und seine Eltern den Keller irgendwann wieder verlassen. Viele Häuser brennen, die Menschen räumen ihr Hab und Gut auf die Strasse, um es vor den Flammen zu schützen. Die Feuerwehr ist nämlich überlastet und kommt mit dem Löschen der Brände nicht mehr nach. Der kleine Mario hilft mit: Er findet es im Schutzkeller nämlich schrecklich langweilig und ist froh, dass er jetzt mit anpacken darf.