Er gilt als der mächtigste Schweizer Wissenschaftler – zumal in den USA. Dort ist er seit 2016 Wissenschaftsdirektor bei der US-Raumfahrtbehörde Nasa und schickt Satelliten ins All oder sucht nach den Ursprüngen des Lebens. Nun hat er seinen Rücktritt per Ende Jahr angekündigt. Thomas Zurbuchen über seine Beweggründe und seine Pläne.
SRF News: Gut sechs Jahre als Wissenschaftsdirektor bei der Nasa - was sind die Beweggründe für Ihren Rücktritt?
Thomas Zurbuchen: Wenn man bei einer Organisation wie der Nasa arbeitet, dann ist die Sache wichtiger als die Person. Ich beobachte immer wieder, dass es eine Zeit gibt, wenn man gehen muss. Bleibt man länger, so wird man zum Ballast im System.
Auch ich habe nach gut sechs Jahren beschlossen, per Ende Jahr zurückzutreten. Ich bin der Wissenschaftsdirektor, der am längsten in diesem Amt geblieben ist, und ich bin unheimlich stolz auf das, was wir erreicht haben. Aber es ist auch Tatsache, dass sich das, was ich täglich lernen kann, über die Zeit immer mehr vermindert hat. Ich bin jemand, der gerne Neues lernt. Es ist nun wichtig, den Job an jemanden weiterzugeben, der gute Ideen hat und dann die Wissenschaft nicht nur in den USA, sondern weltweit weiterentwickelt.
Was folgt?
Das weiss ich ehrlich gesagt noch nicht. Ich will sicher Ski fahren gehen, mehr, als ich es in den vergangenen Jahren zusammengerechnet getan habe. Ich habe mir schon das Saison-Abo in Utah gekauft.
Und ich will auch eine Pause machen, um zu überdenken, was ich gelernt habe. Aber auch, um die Angebote, die ich erhalten habe und weiterhin erhalte, zu analysieren und herauszufinden, was ich in den nächsten fünf bis sieben Jahren machen werde.
Blicken wir zurück: Was waren die Höhepunkte Ihrer Zeit bei der Nasa?
Das «James Webb»-Teleskop war absolut das grösste Projekt, das weltweit in der ganzen Raumfahrtgeschichte gemacht wurde. Das war wohl der grösste Erfolg – und zwar des gesamten Teams.
Dann kommt sicher das, was wir auf dem Mars machen – mit dem Perseverance-Rover Proben sammeln und die gemeinsame Mission mit den Europäern, die Proben zurückzubringen. Diese Mission habe ich gestartet. Und als Drittes: Die Parker Solar Probe, eine Mission, die ganz nah an der Sonne ist und neue Rekorde gesetzt hat. Enorm interessant ist, wie aktiv die Sonne war. Und als Viertes die Erdmissionen, mit denen wir unseren Planeten von oben beobachten. Das sind für mich die grössten Höhepunkte.
In Ihrer Zeit bei der Nasa haben Sie sich mit den ganz grossen Fragen beschäftigt: Woher kommen wir, wie entstand das Universum. Sind Sie da weitergekommen?
Wir haben unglaublich viel gelernt. Auch in der Frage, ob es woanders Leben gibt.
Wir haben unglaublich viel gelernt. Auch in der Frage, ob es woanders Leben gibt.
Die Antwort darauf ist aber nicht Ja oder Nein – oder eine einzige Antwort. Es gibt viele Antworten. Es geht um fossiles Leben auf dem Mars, um die alte Erde, um Ozeanwelten, um andere Planeten und Sterne in unserer Galaxie.
Welche Fortschritte haben Sie gemacht?
Wir haben auf dem Mars komplexe Moleküle entdeckt – viel komplexer, als wir erwartet hatten. So komplex, dass unsere Massenspektrometer nicht gut genug dafür sind. Wir haben mehr über das Wasser, die «nasse Geschichte» des Mars, erfahren. Und in einigen Tagen werden wir über die neuen Proben informieren, die wir auf dem Mars gesammelt haben – und die unheimlich erfolgversprechend sind.
Die Schweiz verliert nun einen Kontakt in der Nasa. Wie wichtig bleiben Schweizer Forscher und Unternehmen für die US-Raumfahrtbehörde?
Wir haben mehrere Zusammenarbeitsprojekte zwischen der Nasa und der Schweiz. Und ich bin überzeugt, dass das nicht so ist, weil ich als Schweizer bei der Nasa arbeite, sondern weil die Schweizer Forschung Weltspitze ist.
Es wird nun wohl weniger Nasa-Beamte geben, die Schweizerdeutsch reden.
Ich bin sicher, dass die vielen Schweizer Forscherinnen und Ingenieure in Zukunft genauso Zugang zur Nasa haben werden wie zu meinen Zeiten. Allerdings wird es wohl weniger Nasa-Beamte geben, die Schweizerdeutsch reden.
Das Gespräch führte Viviane Manz.