Die Zellulosefabrik Attisholz ist eingegangen. Die Papierfabrik Biberist ist verschwunden. Und Ende Jahr stellt auch noch die Papierfabrik Utzenstorf ihre Maschinen ab.
Damit gibt es in der Region Solothurn nur noch einen Vertreter der alten, klassischen Industrie: Die Stahl Gerlafingen AG. Das ehemalige Flaggschiff des Von-Roll-Imperiums trotzt dem Fabrikensterben.
Doch auch das stolze Stahlwerk hat zu kämpfen: Die Gewinne sind zu klein. Wie lange kann es sich noch über Wasser halten? Wir fragen Daniel Aebli, Leiter der Stahl Gerlafingen.
SRF: Viele Fabriken in der Region Solothurn sind verschwunden. Wie fühlt man sich als letzter Vertreter einer aussterbenden Spezies?
Daniel Aebli: Ich bedauere es natürlich sehr, dass diese Stellen verschwunden sind. Es gab aber auch Neuansiedlungen in der Region wie Biogen. Ich fühle mich jetzt nicht als letzter Dinosaurier, es gibt ja in der Schweiz noch mehrere andere basisindustrielle Betriebe, etwa in der Chemie- oder Glas-Branche.
Trotzdem gibt es in der Region Befürchtungen, dass auch die Stahl Gerlafingen vielleicht bald schliessen muss. Als das Ende der Papierfabrik Utzenstorf bekannt wurde, gab es in der Solothurner Zeitung den Titel «Noch rauchen die Gerlafinger Kamine». Wie lange rauchen sie denn wirklich noch?
Wir haben gerade im letzten Winter einen neuen Giesskran in Betrieb gesetzt, eine Investition von fast 2 Millionen Franken. Jetzt haben wir eine neue Anlage bestellt für die Verarbeitung von Betonstahl, wiederum eine Investition von um die 2 Millionen Franken. Also wir hoffen, dass wir das Werk noch sehr lange betreiben können.
Die Stahl Gerlafingen macht Gewinn, aber nicht so viel, wie nötig wäre. Fast den ganzen Gewinn müssen sie gleich wieder investieren, um die Fabrik in Schuss zu halten. Dieses Jahr sind es rund 8 Millionen Franken, die investiert werden. Da könnte der Mutter-Konzern in Italien ja schon auf die Idee kommen, das Werk in der Schweiz zu schliessen, weil es zu wenig abliefert.
Innerhalb der Gruppe sind wir ein wichtiges Werk. Es gibt drei Hauptwerke, in Italien, Frankreich und dieses hier in der Schweiz. Es gibt keine Absichten, das Werk zu verkaufen, auch unser Beitrag ist wichtig. Aber natürlich müssen wir an der Ergebnis-Verbesserung arbeiten, wir sind noch nicht dort, wo wir gerne möchten.
Mit dem Ergebnis 2016 waren Sie zufrieden. Stahl Gerlafingen hatte 620'000 Tonnen Stahl produziert, über 10 Millionen Franken Gewinn erzielt. Wie laufen die Geschäfte in diesem Jahr bisher?
Wir sind auch dieses Jahr wieder auf Zielkurs. Wir haben bereits über 300'000 Tonnen Betonstahl- und Profilstahl-Produkte ausgeliefert, und auch das Ergebnis ist auf Zielkurs.
Letztes Jahr haben Sie 16 Personen von der Lohnliste gestrichen, hatten Ende 2016 noch 472 Mitarbeiter. Werden dieses Jahr weitere Stellen gestrichen?
Wir sind aktuell bei 465 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Die Differenz sind Stellen, die wir bislang nicht besetzen konnten. Bei den Fachspezialisten ist es ja nicht immer einfach, sofort Leute zu finden. Aber wir haben keine Restrukturierungen geplant.
Daniel Aebli, Sie haben sich persönlich stark eingesetzt für das neue Energiegesetz, mit Inseraten und Leserbriefen beispielsweise. Das hat auf den ersten Blick erstaunt, schliesslich ist die Stahl Gerlafingen einer der grössten Energieverbraucher der Schweiz (Die Energiekosten der Fabrik belaufen sich auf 35 Millionen Franken, sie braucht so viel Strom wie die Stadt St. Gallen.) Warum dieser Einsatz für das Energiegesetz, wie zahlt es sich jetzt konkret aus für das Stahlwerk?
Daniel Aebli: Ich fand persönlich die Änderungen im Energiegesetz eine gute Sache. Für die Stahl Gerlafingen AG hat es eine wesentliche Verbesserung gebracht. Nämlich: Neben der Zielvereinbarung zur Energieeffizienz, die wir mit dem Bund haben und auch in Zukunft erfüllen müssen, gab es eine Investitions-Verpflichtung von 20 Prozent der KEV-Rückerstattung. Da reden wir von 1 Million Franken. Diese müssen wir neu nicht mehr zwingend jedes Jahr investieren. Das bedeutet für uns eine grosse Erleichterung.
Bei ihrem Einsatz für das Energiegesetz hatte man fast den Eindruck bekommen, Sie seien ein Grüner. In Wahrheit verbraucht die Stahl Gerlafingen aber Unmengen Billig-Strom aus dem Ausland, man könnte auch sagen: Dreckstrom. Ist das wirklich nötig, damit das Stahlwerk überleben kann?
Zuerst einmal: Wir sind ein Recycling-Betrieb, wir schliessen einen wichtigen Rohstoff-Kreislauf. Da müssen wir uns nirgends verstecken. Unser Produkt ist selber ein Recycling-Produkt. Zudem gibt es keine Möglichkeit, den Stahl teurer zu verkaufen. Das heisst: Auch in einem Minergie Plus-Haus ist normaler Stahl, und wir wurden noch nie gefragt, ob wir einen Stahl hätten, der mit grünem Strom produziert worden ist.