UNO-Sonderberichterstatter sorgen diese Tage für Unruhe in Bundesbern. Sie haben das Schweizer Parlament aufgefordert, das neue Anti-Terror-Gesetz PMT in der Schlussabstimmung kommende Woche abzulehnen. Das Gesetz öffne mit einer zu weiten Definition von Terrorismus Tür und Tor für staatliche Missbräuche.
Neu wird die Polizei präventiv, also bei Hinweisen aber noch ohne konkreten Verdacht, gegen Personen vorgehen können, die mutmasslich Terrorakte begehen werden.
Nils Melzer, Sonderberichterstatter über Folter, hat den Aufruf mitverfasst. Er sagt gegenüber der «Rundschau»: «Die neue Terrorismusdefinition der Schweiz ist jenseits von dem, was in einem Rechtsstaat akzeptabel ist.» Da Terrorismus ohne Gewalt definiert sei, könne im Prinzip jede politische Aktivität, die der Regierung missfalle, als terroristische Aktivität interpretiert werden, so Melzer.
Nationalrat Mauro Tuena (SVP/ZH) hat das Gesetz als Kommissionssprecher massgeblich durch den Rat gebracht. Er sagt, den Gewaltbegriff hätte man explizit nicht in der Definition haben wollen.
«Sonst hätten wir dem Gesetz die Zähne gezogen. Es geht auch um Finanzierung von Terrorismus, den Aufruf dazu oder dass jemand ins Ausland reist, um terroristische Organisationen zu unterstützen. Das wollten wir ebenfalls abdecken», erklärt Tuena.
Sinngemäss ist dies auch die Haltung des Polizeidepartements EJPD. In Hintergrundgesprächen verweist das dort zuständige Bundesamt für Polizei Fedpol auf Propaganda und Rekrutierung, die keinen direkten Gewaltbezug hätten.
Als Politiker sind wir es der Bevölkerung schuldig, dass wir alles unternehmen, damit Anschläge verhindert werden können.
Dass die Massnahmen zu weitgehend angewendet würden, schliesst Nationalrat Mauro Tuena aus: «Jemand, der nichts gemacht hat, hat aufgrund dieses Gesetzes auch nichts zu befürchten.» Das Gesetz sei wichtig, damit die Schweiz vor Terrorakten verschont bleibe.
Tuena verweist auf die Serie von islamistischen Terroranschlägen in den Jahren 2015 bis 2017. Dabei kamen in Europa Hunderte Menschen ums Leben. «Als Politiker sind wir es der Bevölkerung schuldig, dass wir alles unternehmen, damit Anschläge, wie sie im Ausland passiert sind, verhindert werden können.»
Eine völlig andere Sicht vertritt die Grüne Fraktionschefin Aline Trede: Das neue Gesetz bringe nichts, aber es beschneide die Grundrechte. Heute bereits seien zum Beispiel Vorbereitungen für einen Anschlag strafbar. Und der Nachrichtendienst könne Verdächtige überwachen.
Die neuen Anti-Terror-Massnahmen seien hoch problematisch: «Mit dem Gesetz geht man nicht mehr von der Unschuldsvermutung aus, sondern alle können plötzlich schuldig sein. Das verändert eine Gesellschaft. Sie ist dann nicht mehr frei.»
Interne Kritik ohne Folgen
Interne Dokumente zeigen nun, dass auch die Direktion für Völkerrecht des EDA den Begriff der terroristischen Aktivitäten als «sehr weit gefasst» kritisierte und vor «erheblichen Auslegungs- und Abgrenzungsproblemen» warnte. Es bestehe das Risiko einer «allzu weitgehenden Anordnung» von Massnahmen.
Die Direktion beantragte, die Definition dahingehend zu ändern, dass ein Bezug zu Gewaltverbrechen vorhanden sein müsse. Das Fedpol bestätigt: «Dieser Anpassungsvorschlag wurde vom EJPD geprüft und diskutiert aber schlussendlich nicht übernommen.» Zu den Gründen verweist das Fedpol auf die Stellungnahme an die UNO-Sonderberichterstatter.