Weggefährten würdigen Eveline-Widmer Schlumpf
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Bild 1 von 6. Pascal Couchepin, Alt-Bundesrat der FDP (VS) . «Der Schein trügt bei ihr. Sie war viel angenehmer, offener und freundlicher als es erscheinen könnte. Aber man muss sie näher kennen, um diese Seite zu entdecken. Es wird nicht leicht, eine Person mit dieser Qualität zu ersetzen.» . Bildquelle: Keystone/ARCHIV.
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Bild 2 von 6. Micheline Calmy-Rey, Alt-Bundesrätin der SP (GE) . «Sie geht erhobenen Hauptes, hat eine sehr gute Bilanz und hat ihre Dossiers ausgezeichnet geführt. Ich erinnere mich an unsere gemeinsame Arbeit während eines ganzen Sommers, als wir die Übereinkunft mit der UBS vorbereitet haben und uns jeweils bei der einen oder anderen zurückgezogen haben. Schade, sitzt nur noch eine Frau im Bundesrat.» . Bildquelle: Keystone.
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Bild 3 von 6. Andrea Hämmerle, Altnationalrat der SP (GR). «Sie war acht Jahre lang unter einem enormen Druck. Ich möchte den Mann kennenlernen, der Nerven hat wie Eveline Widmer-Schlumpf. Sie ist viel lockerer, als der Ruf, der ihr nacheilt.» . Bildquelle: Keystone/ARCHIV.
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Bild 4 von 6. Barbara Janom Steiner, Regierungsrätin der BDP (GR) . «Eine herausragende Finanzministerin mit einem hervorragenden Leistungsausweis tritt nicht mehr an. Das ist bedauerlich für die nationale Politik und den Bundesrat. Sie wird eine grosse Lücke hinterlassen. Als Gebirgskanton fehlt uns künftig der schnelle Draht nach Bern.» . Bildquelle: Keystone.
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Bild 5 von 6. Stefan Engler, CVP-Ständerat und ehem. Regierungsratskollege. «Im Geschäftlichen verstand sie es, die Kollegen aus den anderen Departementen mit kritischen Fragen zu provozieren. Auch, um abschätzen zu können, inwieweit finanzielle Konsequenzen gerechtfertigt sind oder nicht.». Bildquelle: Keystone/ARCHIV.
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Bild 6 von 6. Hans Grunder, Nationalrat der BDP (BE) und ehem. Parteipräsident. «Ich habe zwei Herzen in meiner Brust nach ihrem Rücktritt. Persönlich verstehe ich, dass sie nach acht Jahren übermenschlicher Leistung nun etwas kürzer treten will. Auf der anderen Seite bin ich natürlich sehr traurig. Denn für die Schweiz ist es ein grosser Verlust.» . Bildquelle: Keystone.
SRF News: Überrascht Sie der Rücktritt von Eveline Widmer-Schlumpf?
Rudolf Strahm: Nach allem, was in der letzten Zeit gelaufen ist, nicht. Die Mitte-Parteien haben sich nicht koordiniert. Es war absehbar, dass sie rechnet – was sie gut kann – und sich nicht mehr zur Wiederwahl stellt.
Wie würden Sie ihr Wirken als Bundesrätin, insbesondere ihre Zeit im Finanzdepartement, würdigen?
Ich habe alle sechs Finanzminister seit Bundesrat Chevallaz seit den 1970er-Jahren erlebt. Keiner hat so viele Reformen realisiert wie Bundesrätin Widmer-Schlumpf. Natürlich mit ausländischer Hilfe und auf ausländischen Druck hin. Auch musste kein Regierungsmitglied in der jüngeren Geschichte so viele Anfeindungen erfahren.
Sie sprechen die Reformen an, die Eveline Widmer-Schlumpf durchgesetzt hat: Die Weissgeldstrategie, die Aufgabe des Bankgehemnis. Wird das am stärksten in Erinnerung bleiben?
Ihre historische Tat in der schweizerischen Wirtschaftsgeschichte ist die Reorganisation des Finanzplatzes. Ich denke hier an die Frage der Steuerauskünfte, die internationale Amts- und Rechtshilfe, Geldwäscherei. Alle diese neuen Anforderungen an den Finanzplatz, die von der Globalisierung her kommen, darunter auch die Sicherheit der Grossbanken mit der «Too big to fail»-Vorlage – kurz: es war eine grosse Serie an Reformen. Allerdings muss man sagen, dass die Schweiz alleine und ohne Druck aus dem Ausland nicht die Kraft gehabt hätte, diese durchzusetzen.
Kein Finanzminister seit den 70ern hat so viele Reformen realisiert, und kein Regierungsmitglied musste so viele Anfeindungen erfahren.
Sind es gelungene Reformen?
Aus meiner Sicht sind es Reformen, die zum Teil längst fällig waren. Etwa die Steuerflucht-Problematik wurde bereits 15 Jahre von der EU thematisiert. Die Unternehmenssteuerreform war ebenfalls fällig. Auch ohne die Finanzkrise wäre die Schweiz früher oder später auf schwarze Listen gelangt, wenn sie nicht reagiert hätte. In diesem Sinn hat Frau Widmer-Schlumpf sehr schnell und dossierfest versucht, sich unter schwierigen innenpolitischen Umständen einigermassen den globalisierten Spielregeln anzupassen.
Bundesrätin Widmer-Schlumpf wurde stark von Vertretern des Finanzplatzes angefeindet, als «Totengräberin des Finanzplatzes» Schweiz beargwöhnt. Hat sie aber mit der UBS-Rettung, der Weissgeld-Strategie und den «Too big to fail»-Regeln nicht auch wesentlich zu dessen Stärkung beigetragen?
Eigentlich hat sie den Banken geholfen. Einige Winkelbankiers waren natürlich nicht einverstanden. Aber gerade den Grossbanken hat sie nach ihren krummen Touren die Kohlen aus dem Feuer geholt – in den USA, auch gegenüber der OECD. Und sie hat versucht, das Prestige der Schweiz zu verteidigen und zu retten. Heute nehmen die Grossbanken klar und offen Stellung und sind froh, um die Unterstützungsaktion, die Frau Widmer-Schlumpf geboten hat.
Das Gespräch führte Klaus Bonanomi.