Urs Schwaller schaute am Abstimmungssonntag nur ganz kurz im Abstimmungszentrum der CVP vorbei. Das Resultat zur Familieninitiative seiner Partei hatte ihm den Sonntag gründlich verdorben. «Es ist eine bittere Enttäuschung, eine bittere Niederlage. Gerade im Wahljahr», sagt er.
Selbstbewusstes Auftreten ist gefragt
Der langjährige Fraktionschef und Vordenker der CVP fühlte sich in der trendigen Bar aber auch nicht wohl, die seine Parteiführung als Abstimmungstreff ausgesucht hatte. Lieber gibt er in einer sonnigen Gartenwirtschaft in der Nähe Auskunft. Dort betont Schwaller, dass die CVP im Wahljahr selbstbewusst auftreten müsse. Und vor allem: «Linie halten.»
Tatsächlich ist das mit der Linie nicht gerade eine Stärke von Schwallers Partei. Sogar bei der eigenen Initiative zur Abschaffung der Heiratsstrafe ist sie im Parlament eingeknickt. Dort umschrieb die traditionelle Familienpartei die Ehe als eine Verbindung zwischen Mann und Frau. Es hagelte Proteste, woraufhin die CVP-Parlamentarier nun einen Gegenvorschlag zur eigenen Initiative zu unterstützen.
«Das geht nicht», sagt Schwaller klipp und klar. Ein solches Verhalten könne man den Wählern nicht vermitteln. «Wenn man selber nicht weiss, wofür man steht, kann man auch keine Politik machen, die in den nächsten vier Jahren Bestand hat», ist er überzeugt.
Eigenständige Positionen durchziehen
Laut Schwaller muss sich die CVP auf die Kernthemen Familie, Ausbildung und Sicherheit konzentrieren – und zwar mit einer erkennbaren und eigenständigen Position. Diese müsse traditionell sein, aber nicht rückständig.
Es gebe zum Beispiel noch viel zu tun, damit Eltern ihren Beruf und die Familie besser miteinander vereinbaren können. Immer noch fehlten dafür weitgehend die Strukturen. Sowohl das Angebot an die Frauen wie auch die Möglichkeit von flexiblen Arbeitszeiten seien kaum vorhanden. Dafür müsse sich die CVP einsetzen und nicht einfach bloss zusätzliches Geld für bestimmte Familien verlangen. Das sei im Moment einfach nicht mehrheitsfähig.
Das Abstimmungsresultat vom Sonntag gibt Schwaller recht: Statt Schwung für den Wahlkampf zu erhalten, wurde die CVP brutal ausgebremst. Auch die Heiratsstrafen-Initiative ist inzwischen eher Ballast als Auftriebshilfe.
Für die CVP wird es schwierig
Kommt hinzu: Letzten Herbst scheiterte ein auch von Schwaller forciertes Unions-Projekt mit der BDP. Letzte Woche bei der Umsetzung der Zweitwohnungsinitiative schienen alle miteinander zu dealen, nur die CVP blieb aussen vor. Tatsächlich komme viel auf einmal zusammen, konstatiert Schwaller. «Wir wissen auch, dass die Wahlen zumindest in einigen Kantonen schwierig werden.»
Nicht einfacher macht es für die CVP, dass wichtige Partei-Exponenten auf dem Absprung sind: Parteipräsident Christophe Darbelley, Sozialpolitikerin Lucrezia Meier-Schatz und eben auch Ständerat Urs Schwaller treten zurück.
Letzterer glaubte vor kurzem noch, dass die CVP am 18. Oktober zwei Prozent Wähleranteil hinzugewinnen könnte. Inzwischen hofft er noch auf plus ein Prozent. Viele andere in der CVP wären wohl schon froh, wenn die Partei im Herbst wenigstens das Resultat von 2011 wiederholen könnte.