Ein Paukenschlag: Nach über 70 Jahren wendet sich der Deutsche Fussball-Bund (DFB) von Ausrüster adidas ab und wird künftig vom US-Giganten Nike ausgestattet. Die Zusammenarbeit ab 2027 bis Ende 2034 soll dem DFB laut einem Bericht des deutschen Handelsblattes mindestens 100 Millionen Euro im Jahr bringen – doppelt so viel wie beim bisherigen Vertrag mit Adidas.
In Deutschland löst der Entscheid teils heftige Reaktionen aus. CDU-Chef Friedrich Merz nennt den Entscheid «unpatriotisch». Der deutsche Fussballexperte Marcel Reif ordnet die Gemütslage in Fussballdeutschland ein.
Marcel Reif
Fussballexperte
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Reif gehört zu den bekanntesten Fussballreportern im deutschsprachigen Raum. In seiner 30-jährigen Karriere hat der eingebürgerte Schweizer für das öffentlich-rechtliche, das private sowie für das Bezahlfernsehen in Deutschland und der Schweiz gearbeitet.
SRF News: Wie sehen Sie den Wechsel von Adidas zu Nike?
Marcel Reif: Es ist komplex. Man muss da unterscheiden zwischen Kommerz und Herz. Das Herz – also die Romantik, die Tradition – sagt: Das ist ein dramatischer Kulturbruch. Der Verstand sagt: Das ist der moderne Profifussball, der von Kommerz beherrscht und getrieben wird. Da ist das nur eine fast logische Entwicklung.
Adidas ist deutsche Identität.
Die drei Adidas-Streifen auf dem Trikot der Nationalmannschaft hatten also etwas Identitätsstiftendes?
Ja. Ich bin 75 Jahre alt, bin mit der deutschen Nationalmannschaft aufgewachsen und habe die DFB-Elf nur in drei Streifen gesehen. Die Vorstellung, jetzt den Swoosh von Nike auf der Brust der Spieler zu sehen, bereitet mir Probleme. Aber dann schalte ich mein Gehirn ein und sehe: Die einen zahlen 100 Millionen, die anderen 50 Millionen. Ich bin kein guter Mathematiker – aber das kriege auch ich hin.
Adidas steht ja auch für das deutsche Wirtschaftswunder. Ist die Empörung auch vor diesem Hintergrund zu versehen?
Ja. Adidas ist eine der Firmen, die jedes kleine Kind kennt – und wenn sie älter werden, tragen sie die Klamotten auch noch. Das ist nicht irgendeine kleine Schraubenfabrik irgendwo im Schwarzwald: Das ist deutsche Identität. Und die geht jetzt in Zukunft an der deutschen Vorzeigemannschaft – der Fussballnationalmannschaft – vorbei. Das ist eine ziemlich dramatische Vorstellung.
An der EM in Deutschland im Sommer spielt die DFB-Elf ja noch in Adidas-Trikots. Jüngst hat da das lilafarbene Auswärtstrikot zu reden gegeben. Kann man sagen, dass die Nationalmannschaft zurzeit für mehr Schlagzeilen neben als auf dem Platz sorgt?
Nicht nur zurzeit: auch schon in Katar, wo es um die Kapitänsbinden ging. Ich finde: Es wird an der Zeit, dass das Runde mal wieder ins Eckige geht, und nicht alle Diskussionen sich um Trikots, Farben oder eben Ausrüster drehen. Und trotzdem: Die Diskussion um Adidas oder Nike kriegt man in den nächsten Wochen nicht einfach so weg.
70 Jahre Deutschland in Adidas: 4 WM- und 3 EM-Titel
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Mit der Ankündigung des Deutschen Fussballbundes (DFB) endet eine Ära.
IMAGO/Revierfoto;
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1954 erlebte Nachkriegsdeutschland das «Wunder von Bern» und wurde erstmals Weltmeister. Im Bild: Trainer Sepp Herberger und Spieler Fritz Walter mit dem WM-Pokal.
IMAGO / Ferdi Hartun
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Ab den 1960er-Jahren betrat «Kaiser» Franz Beckenbauer die deutsche Fussballbühne und sollte über Jahrzehnte nicht mehr davon wegzudenken sein. (Bild: 1968)
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Grün entwickelte sich zur bevorzugten Auswärtsfarbe der BRD-Auswahlen und anschliessend Deutschlands. (Bild: 1970)
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1974 holte das Team um Franz Beckenbauer den zweiten WM-Titel für Deutschland.
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In den 1970er- und 1980er-Jahren war zwischenzeitlich nicht das Adidas-Logo auf den Trikots der DFB-Elf zu sehen, sondern jenes der Tochterfirma Erima. Im Bild: Karl-Heinz Rummenigge (1980).
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Doch das Intermezzo sollte nicht lange andauern. Bereits 1984 liefen Karl-Heinz Rummenigge und die DFB-Elf wieder mit Adidas-Trikots auf.
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Das historische WM-Final 1986 im Azteken-Stadion zu Mexiko-Stadt verlor Westdeutschland gegen Argentinien und Diego Maradona in Grün.
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Zwei Jahre später kam es erneut zur grossen Enttäuschung. Gegen die Niederlande verlor man den Halbfinal der Europameisterschaft 1988.
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An der Weltmeisterschaft 1990 sollte es dann so weit sein: Das wiedervereinigte Deutschland holte sich den dritten Weltmeistertitel.
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Die WM vier Jahre später in den USA war dann aber wieder eine zum Vergessen: Deutschland um Andy Brehme schied im Viertelfinale überraschend gegen Bulgarien aus.
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1996 sorgte Oliver Bierhoff für den nächsten Titel für Deutschland – und Adidas. An der Europameisterschaft in England schoss er das entscheidende Tor im Endspiel gegen Tschechien.
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Doch die Mannschaft konnte nicht an den Erfolg anknüpfen. Zwei Jahre später schied Deutschland an der WM 1998 in Frankreich im Viertelfinale gegen Kroatien aus.
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Und auch an der EM zwei Jahre später sollte es für Deutschland um Mehmet Scholl nicht optimal laufen: Aus in der Gruppenphase.
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Für die WM 2002 kehrte Adidas für die Trikots zu simplem Weiss zurück – und siehe da: Die DFB-Elf schaffte es erneut ins Endspiel – wo sie allerdings Brasilien um Superstar Ronaldo unterlag.
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Die WM 2006 war dann wieder farbenfroh und für Gastgeber Deutschland ein riesiger Erfolg – trotz Halbfinal-Aus gegen Italien.
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Zwei Jahre später setzte die DFB-Elf ihren Aufschwung fort. Erst im Endspiel der EM 2008 war gegen Spanien Schluss.
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Neue Gesichter, alter Ausrüster: An der WM 2010 schaffte es Deutschland mit einer jungen, wilden Mannschaft bis ins Halbfinale.
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Eine weitere Halbfinalniederlage: 2012 war an der EM gegen Italien Schluss.
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Der bislang letzte Grosserfolg Deutschlands: 2014 holte das Team in Rio den vierten Weltmeistertitel.
IMAGO / HJS
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Zum vorläufig letzten Mal dürfte die DFB-Elf in diesem Jahr bei einer Europameisterschaft mit Adidas-Trikots auflaufen.
imago images
Deutsche Tore in Nike-Trikots würden der Mannschaft also genauso guttun?
Da bin ich Purist: Nichts tut dem deutschen Fussball, und Fussball im Allgemeinen, so gut wie – Achtung – Tore.
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