Der US-Zollhammer hat zu Wochenbeginn Panik an der Börse ausgelöst. Am Dienstag jedoch schien sich die Börse wieder zu erholen: vom Schweizer SMI über den japanischen Nikkei bis hin zum Leitindex Dow Jones. Kommt jetzt das grosse Aufatmen? SRF-Wirtschaftsredaktor Reto Lipp sagt: Zurücklehnen können wir uns noch lange nicht.
Warum geht es an der Börse wieder aufwärts, trotz drohenden Gegenzöllen?
Nach starken Börsenabschlägen kommt es praktisch immer zu kurzfristigen Erholungen. Es gibt fast immer Schnäppchenjäger, die glauben, jetzt könne man einmalig günstig an gute Aktien herankommen. Ob sich das bewahrheitet, wird sich erst später weisen. Grundsätzlich sind die amerikanischen Aktien im langjährigen Durchschnitt auch nach dem Abschlag noch teuer. Und sollte es wirklich zu einer US-Rezession kommen (woran viele glauben, wenn die Zölle nicht teilweise rückgängig gemacht werden), dann wären die Aktien auch auf dem heutigen Stand kein guter Kauf.
Viele sprechen von einer «technischen Gegenbewegung», was versteht man darunter?
Das ist eine kurzfristige Gegenbewegung der Kurse innerhalb eines bestehenden Abwärts- oder Aufwärtstrends. Oft tritt sie nach starken Verlusten wie gestern Montag auf, wenn Anleger günstige Einstiegsmöglichkeiten nutzen. Meist ist das nicht durch fundamentale Veränderungen gestützt. In unserem Fall wäre eine fundamentale Veränderung die Senkung der angeordneten Zölle. Nur das würde eine reale langfristige Entspannung bringen.
Weshalb zeigen sich die Erholungen in Japan besonders deutlich?
Japan ist ein enger Verbündeter der USA, der japanische Premierminister hat auch schon mit Donald Trump telefoniert. Hier hoffen die Märkte offensichtlich auf einen Erfolg. Ob sich das bewahrheitet, muss sich erst zeigen. Generell dürfte jede Entspannung an der Zollfront dazu führen, dass es an den Börsen wieder etwas aufwärts geht. Nur: Sollte Donald Trump stur bleiben und sich eine Rezession ankündigen, dürften die Kurse weiter fallen.
Sind die schlimmsten Börsentaucher also noch nicht überstanden?
Ja, das glaube ich. Gerade hat die UBS ihre Wachstumsprognosen für die Schweiz praktisch halbiert. Und sie rechnet noch nicht einmal mit dem schlimmsten Szenario. Sie glaubt im Basisszenario, dass die Zölle gesenkt werden. Wenn die Zölle gegen die Schweiz nicht reduziert werden, dann würde das Wachstum deutlich unter ein Prozent fallen, was dann einer Rezession sehr nahe käme, mit einer steigenden Arbeitslosigkeit. In einem solchen Fall könnten die Börsen nochmals nachgeben. Die Krise ist noch lange nicht ausgestanden, denn Trump will ein völlig neues Welthandelssystem. Das kann noch viele Krisen bedeuten.
Ist die aktuelle Börsenentwicklung vergleichbar mit vergangenen Crashs?
In vielen Fällen gibt es nach einem Crash wieder Erholungen. Es gibt aber auch Fälle, in denen es Jahre geht, bis die Börsen wieder das Vorkrisenniveau erreicht haben. Bei grossen «Dot-com-Crash» aus dem Jahr 2000 wurde der Tiefpunkt auch durch die Anschläge in New York erst im März 2003 erreicht. Dazwischen gab es immer wieder Phasen, wo es nach oben ging. Definitiv war die Sache aber erst 2003 ausgestanden.