Seit drei Jahrzehnten ist die vorgezogene Recyclinggebühr (vRG) in der Schweiz eine Erfolgsgeschichte: Denn Verkaufsstellen verpflichten sich, ausgediente Elektrogeräte ohne zusätzliche Kosten zurückzunehmen und fachgerecht zu entsorgen. Diese Rückgewinnung entlastet nicht nur die Umwelt, sondern stärkt auch die Kreislaufwirtschaft. Doch ein eigenständiges Recyclingsystem aufzubauen und zu betreiben, ist aufwendig und teuer.
Hier beginnt 1994 die Geschichte von «Swico Recycling»: ein nicht gewinnorientiertes Rücknahme- und Recyclingsystem für alte Elektrogeräte, eine Idee von Swico, dem Wirtschaftsverband der ICT- und Online-Branche. Weil dieses Konzept den gesamten Recyclingprozess von der Abholung bei den Verkaufsstellen bis zur Zerlegung und Verwertung übernimmt, ist es bis heute beliebt. Finanziert wird das System über die vorgezogene Recyclinggebühr.
In dieser Zeit hat der Verband mehr als eine Million Tonnen Elektronikschrott gesammelt. «Die Leute haben rund 90 Prozent ihrer IT-Geräte in das Swico-System zurückgebracht», sagt Swico-Geschäftsführer Jon Fanzun. Daraus konnten wertvolle Rohstoffe wie Gold, Palladium, Kupfer und Kunststoffe zurückgewonnen werden.
Doch Swico rezykliert nur, was im Büro oder im Wohnzimmer steht. Für andere Geräte gibt es eigene Spezialisten. Zum Beispiel «Sens eRecycling», eine Stiftung, die sich auf die Entsorgung von Haushaltsgeräten spezialisiert hat.
Billiganbieter bedrohen das Recyclingsystem
Der Geschäftsführer von Sens eRecycling erklärt, dass chinesische Billiganbieter wie Temu oder Shein immer mehr zum Problem werden. Diese Plattformen umgehen oft die Recyclinggebühr, da die Waren direkt aus dem Ausland in die Schweiz geliefert werden.
Zudem betreiben sie keine physischen Verkaufsstellen in der Schweiz, wo eine Rückgabemöglichkeit für Elektroschrott und ein entsprechendes Recyclingsystem zwingend angeboten werden müssten. Die Folge: Die erforderlichen Mittel zur Finanzierung des Recyclings fehlen, und das bisher stabile System gerät unter Druck.
Die Zukunft ist ungewiss
Für die Schweizer Recyclingsysteme stellt sich nun die Frage, ob die vRG weiterhin erhoben werden soll, wenn sich Online-Anbieter nicht an die entsprechende Regelung halten müssen. Dieses Problem wird sich in Zukunft wohl eher noch verschärfen, weil eine zunehmende Anzahl Käufe von Elektrogeräten über das Internet getätigt werden.
Die Schweiz steht damit vor einer wichtigen Weichenstellung: Gelingt es, die Recyclinggebühr auch in Zeiten des globalisierten Handels durchzusetzen, könnte die Erfolgsgeschichte fortgeschrieben werden. Andernfalls droht eine Erosion der bisherigen Errungenschaften – mit negativen Folgen für Umwelt und Wirtschaft.