Ist der Mensch, der sich auf eine Stelle bewirbt, männlich, weiblich, alt, jung, dick, dünn, aus der Schweiz oder nicht – all das soll neu in Zürich offen bleiben. Die Stadt testet in einem Pilotprojekt anonymisierte Bewerbungen, um diskriminierende Stellenbesetzungen zu verhindern. Das Stadtparlament hat ein entsprechendes Postulat von GLP und FDP an die Regierung überwiesen. HR-Beraterin Susanne Achermann sieht das kritisch. Im Vordergrund stünden schon jetzt die Kompetenzen.
SRF News: Wie gut wirkt dieses Mittel gegen Diskriminierung?
Susanne Achermann: Persönlich finde ich den Schritt in diese Richtung nicht sehr gut, weil man damit in einen intransparenten Bereich wegrutscht. Andererseits ist es natürlich ganz klar, dass man heute nicht mehr nach Namen oder Religion oder Geschlecht rekrutieren soll, sondern sich auf die Fachkompetenzen konzentrieren muss.
Kann man einen Lebenslauf nicht auch beurteilen, wenn man nichts über den Menschen weiss, der diese Kompetenzen hat?
Das ist, vor allem wenn man die internationalen Rekrutierungen anschaut, schon sehr lange der Fall. Man erhält Dossiers, in denen weder die Nationalität, noch das Geschlecht oder das Alter steht. Auch Fotos werden nicht mitgeschickt. Das funktioniert schon lange sehr gut. Internationale Firmen sind sich gewohnt, solche Bewerbungen zu analysieren, rein basierend auf den Kompetenzen. Den Namen hingegen ganz wegzulassen, beurteile ich als ein spezielles Instrument.
Ich google eine Person ganz kurz, um etwas gegenzuchecken. Ich komme innerhalb von kürzester Zeit auch auf den Namen.
Das geht wirklich einen Schritt weiter. Was mache ich mit der E-Mail-Adresse? Ich google eine Person ganz kurz, um etwas gegenzuchecken. Ich komme innerhalb von kürzester Zeit auch auf den Namen. Das finde ich persönlich nicht den richtigen Weg. Wichtiger wäre es, dass man den Personen, bei denen die Kompetenzen nicht ausreichen, andere Mittel zur Verfügung stellt, um diese kompetenzbasiert zu unterstützen.
Sie sehen also Umsetzungsprobleme. Aber ist die Angabe des Namens, ob Müller oder Stojanović zum Beispiel, nicht problematisch, weil sich niemand gegen unbewusste Vorurteile wehren kann?
Ja, es ist aber meiner Ansicht nach persönlich der falsche Weg, aus diesem Grund den Namen nicht anzugeben. Man sollte vielmehr proaktiv in den Markt hineingehen, um diese ganzen Vorurteile zu revidieren und möglichst neutral hinzuschauen. Gerade auch bei Lernenden, die vielleicht einen anderen Namen haben, die haben ja noch nicht die Kompetenzen, sie kommen alle direkt von der Schule.
Es gibt noch viel mehr Beeinträchtigungen im Stellensuchprozess als nur den Namen und die Herkunft.
Da müsste man auch diesen eine andere Möglichkeit geben, sich zu positionieren, und nicht ihre Herkunft einfach zu verstecken. Wenn sie vielleicht die Sprach- oder Ausbildungskompetenz nicht mitbringen, sollte man Mittel in diese Richtung investieren, statt auf diese Vermeidungstaktik zu setzen.
Es geht beim Projekt auch darum, dass die Vorgesetzten ihre eigenen Vorurteile erkennen. Doch kann man die überhaupt wegbringen?
HR-Personen werden auf dem Gebiet der unbewussten Voreingenommenheit geschult. Das ist in jedem Ausbildungsgang dabei. Der Punkt ist eher die Überzeugungsthematik; den Mut zu haben, der Linie mitzugeben: Schaut euch die Person an, kommt von euren Vorurteilen weg! Ich glaube, das würde allen mehr bringen, denn es gibt ja noch viel mehr Beeinträchtigungen im Stellensuchprozess als nur den Namen und die Herkunft.
Das Gespräch führte Isabelle Maissen.