Deshalb arbeiten Pflegefachleute temporär. Betroffene erzählen, sie könnten sich dank Temporärarbeit besser vom hohen Druck und der hohen Verantwortung im Gesundheitsbereich abgrenzen. Temporärarbeit bringt auch mehr Flexibilität – man kann Arbeitszeiten bis zu einem gewissen Grad selber wählen. Und Temporäre verdienen mehr. Temporäreinsätze in der Gesundheitsbranche gibt es seit längerer Zeit – auch Personalvermittler, die sich auf die Branche spezialisiert haben. Ein Anstieg ist seit der Covid-Pandemie zu beobachten.
So haben sich die Zahlen entwickelt. Der Anteil von Temporäreinsätzen im Gesundheitswesen ist gemäss dem Verband Swissstaffing im Jahr 2023 auf 2.6 Prozent von 2.2 Prozent im Jahr zuvor gestiegen. Auch 2024 habe es ein Wachstum gegeben, sagt Marius Osterfeld von Swissstaffing. Doch Spitäler haben zunehmend eine kritische Haltung gegenüber Temporären. So hat das Universitätsspital Zürich nach eigenen Angaben die Temporärarbeit im vergangenen Jahr von 60 Vollzeitstellen auf 10 reduziert. Im Spital Bülach sind die Einsätze von 185 auf 30 gesunken. Auch das Universitätsspital Basel arbeitet mit weniger Temporärpersonal. Das Kantonsspital Luzern will ganz darauf verzichten.
Wieso Spitäler Temporärarbeit abbauen wollen. Die Kosten für Temporäre seien beträchtlich, sagt Raphaela Meier, Personalchefin des Unispitals Basel. Da fallen einerseits höhere Löhne für Temporäre an, plus die Kosten für die Vermittlung. Auch sei die Einarbeitung von wechselndem externen Personal sehr aufwendig. In einigen Spitälern sorgen Temporäre in Teams auch für Unmut, weil diese Einsätze selbst wählen könnten und Einsätze ungleich verteilt seien.
Wir honorieren unbequeme Dienste zeitlich und finanziell besser.
Finden Spitäler überhaupt genügend Festangestellte? Der Fachkräftemangel in der Gesundheitsbranche ist nach wie vor in den Schlagzeilen. Trotzdem könne das Unispital Basel die Stellen gut besetzt werden, wie Personalchefin Raphaela Meier sagt. Es werde auch mehr Nachwuchs ausgebildet. Die Spitäler hätten die Löhne erhöht. «Wir honorieren unbequemen Dienste zeitlich und finanziell besser», sagt Meier. Zudem betreiben Spitäler nun selbst interne Springerpools oder haben solche besser organisiert. In der Folge hat sich das Unispital entschieden, die Anzahl Stellenvermittler zu reduzieren und nur noch mit einer ausgewählten Anzahl zusammenzuarbeiten.
Es gibt sicherlich auch eine Neiddiskussion, weil Temporärkräfte mehr verdienen.
Geht die Strategie der Spitäler langfristig auf? Für Michael Simon, Leiter des Instituts für Pflegewissenschaften der Uni Basel, ist das alles andere als klar. Es komme auf die Personalpolitik an. Diese sei auch verantwortlich, wieso die Anzahl der Temporärmitarbeitenden stark gestiegen sei. Man habe den Bedürfnissen der Mitarbeitenden nicht genügend Rechnung getragen. «Dies jetzt wieder zurückzudrehen, ist sehr schwierig – das braucht viel Einsatz und eine gute Führung.» Er denkt an Weiterbildung, Mitarbeiterentwicklung und flexible Arbeitszeiten.
Wieso Temporärarbeit in der Gesundheitsbranche umstritten ist. «Traditionell ist Temporärarbeit in der Pflege verpönt», sagt Pflegeexperte Simon. Temporärmitarbeitende seien nicht vollwertige Mitglieder des Teams, manchmal bleibe Arbeit wegen Temporären liegen, manchmal wüssten sie bestimmte Abläufe nicht. «Es gibt sicherlich auch eine Neiddiskussion, weil Temporärkräfte mehr verdienen.» Das seien aber in der Regel nicht adäquate Vergleiche, weil Temporäre zum Beispiel nicht so gute Weiterbildungsmöglichkeiten hätten wie Festangestellte.