Noch nie sind so viele Leute migriert wie im letzten Jahr. Die Wanderbewegungen werden in den nächsten Jahren zunehmen. Neben den Konflikten und Krisen ist der sogenannte Job-Gap Grund für die vielen Wanderbewegungen: Die Arbeitskräfte leben nicht dort, wo es Arbeit gibt.
Die Gesellschaften im globalen Norden altern rasch, in Europa sind Fachkräfte gesucht – Tendenz stark steigend. Auf dem afrikanischen Kontinent ist dagegen 60 Prozent der Bevölkerung unter 25-jährig. Entsprechend gross ist der Bedarf an Bildung und Arbeit der jungen Leute.
Dieses Ungleichgewicht wird in den nächsten Jahren zunehmen und auch den Migrationsdruck vom globalen Süden Richtung Norden verstärken. Beides war am diesjährigen Weltwirtschaftsforum in Davos weitgehend unumstritten.
Legale Migrationswege nach Europa oder mehr Jobs in Afrika
Amy Pope, die Direktorin der Internationalen Organisation für Migration, sagt: «Ich gehe davon aus, dass die demografische Entwicklung dazu führen wird, dass in Europa ein Wettbewerb um afrikanische Talente entsteht.» Die politischen Entscheidungsträger in Europa täten gut daran, bereits jetzt mit verschiedenen Formen legaler Migration zu experimentieren.
Arbeitsmigration lasse sich planen, sagt Pope. Der Arbeitskräftemangel in Europa aufgrund des demografischen Wandels ist vorhersehbar. Pope findet: «Staaten und Unternehmen sollten anfangen, vorausschauend zu handeln, Migration zu planen.» Dann könnten alle Beteiligten gewinnen.
Das sieht auch der deutsche Kanzler Olaf Scholz so. Seine Strategie: Die illegale Migration erschweren und zugleich neue legale Arbeitsmigration erleichtern. Denn Deutschland droht in den nächsten zehn Jahren sieben Millionen Arbeitskräfte zu verlieren, weil mehr Leute in Rente gehen als Junge nachrücken. Deutschland bemüht sich darum bereits sehr aktiv um Arbeitskräfte im globalen Süden.
Bundeskanzler Scholz ist 2023 nach Kenia und Ghana gereist. In Kenia hat er um Leute mit Digitalexpertise geweibelt. Im Gegenzug bietet Deutschland Unterstützung in der Aus- und Weiterbildung in Kenia an. In Ghana hat er ein Rückkehrzentrum, das bisher abgeschobene Migranten beraten hat, dazu berufen, künftig die Einwanderung von Fachkräften nach Deutschland zu fördern.
Noch wollen viele europäische Arbeitskräfte in die Schweiz
Die Schweiz hat keine solchen Projekte geplant. Aktuell ist das auch nicht nötig, denn die Zuwanderung aus europäischen Ländern ist gross. Die Schweiz ist attraktiv. Klar ist auch, dass die Schweiz als kleine Volkswirtschaft im Vergleich zu Deutschland einen kleinen Bedarf an Fachkräften hat.
Der Schweizerische Arbeitgeberverband und Economiesuisse schätzen in einer Studie, dass dem Schweizer Arbeitsmarkt in zehn Jahren fast eine halbe Million Arbeitskräfte fehlen dürften. Auch wenn die Leute mehr, produktiver und länger arbeiten – ohne Zuwanderung wird es für die Wirtschaft schwierig.
Die Zuwanderung aus den Weltregionen mit einer jungen Bevölkerung kommt. Denn die andern europäischen Länder altern noch rascher als die Schweiz und brauchen ihre Arbeitskräfte selber. Für Schweizer Firmen heisst das, dass es in Zukunft schwieriger werden dürfte, Personal in den Nachbarländern zu rekrutieren.
Mehr Zuwanderung aus Drittstaaten laut zu fordern, scheint in der Schweiz zurzeit aber selbst für die Wirtschaftsverbände politisch undenkbar.