Nur wenige Monate nach ihrem Stellenantritt war Monika Walter schon die Dienstälteste in ihrem Team. Die 25-Jährige arbeitet als Fachfrau Operationstechnik. Sie assistiert bei Operationen, reicht dem Arzt beispielsweise Instrumente. «Eine Kündigung folgte auf die nächste. Damit stiegen Arbeit und Last für uns – welche noch da waren», sagt sie.
Dann ging sie selbst. «Als die 20. Person gekündigt hat und ich einmal bei einer Notoperation, bei der es um Leben und Tod ging, mit einer Schülerin im ersten Praktikum alleine assistieren musste – das war der Auslöser für meine Kündigung.»
Viel mehr Temporäre
Wie Monika Walter geht es vielen Pflegefachkräften. Monatlich steigen mehrere 100 Personen aus dem Pflegeberuf aus, heisst es beim Berufsverband SBK. Etliche davon wechseln in die Temporärbranche.
Dort ist der Anteil des Gesundheitspersonals in den vergangenen Jahren auf 6.9 Prozent gestiegen, wie neue Zahlen des Branchenverbands Swissstaffing zeigen (siehe Grafik). Im Kantonsspital Luzern und in seinen Partnerspitälern hat sich die Anzahl Temporärer in der Pflege in fünf Jahren bis zu verdreifacht.
Auch Monika Walter nahm ein Jobangebot einer Temporärfirma an. Der Wechsel sei ihr nicht leicht gefallen. Vorteile gebe es viele. Sie könne sich besser vom hektischen Spitalalltag abgrenzen und sie habe Zeit, Weiterbildungen zu besuchen. Es gebe mehr Flexibilität.
«Spontan mit Freunden wegfahren übers Wochenende oder längere Ferien beziehen, das wäre in einem normalen Spital fast nicht möglich gewesen.» Auch finanziell steht sie heute besser da, verdient temporär mit einem 80-Prozent-Pensum sogar mehr als früher zu 100 Prozent festangestellt.
Spitäler nicht erfreut
Für die Spitäler wird der Temporäranstieg zu einer Belastung. «Die Betriebs- und Teamkultur leidet», sagt Michael Döring, Leiter Gruppe Pflege und Soziales. Zudem bezahle das Spital für Temporäre teilweise mehrere 1000 Franken mehr als für Festangestellte – je nach Einsatzgebiet.
Die Betriebs- und Teamkultur leidet unter der steigenden Temporärarbeit.
Damit soll nun aber Schluss sein. Bis in drei Jahren wolle das Luzerner Kantonsspital keine temporären Mitarbeitenden mehr in der Pflege haben, so Döring. Auf den 1. Juli 2023 haben die Luzerner die Bedingungen, temporäre Pflegekräfte einzusetzen, verschärft.
Gleichzeitig sollen Festangestellte bessere Arbeitsbedingungen erhalten und von höheren Zulagen für Spät-, Nacht und Samstagsdienste profitieren.
Die Möglichkeit zu Temporärarbeit hält die Leute erst einmal im System.
Von Strafmassnahmen gegen Temporäre hält der Gesundheitsökonom nichts. «Die Möglichkeit zu Temporärarbeit hält die Leute erst einmal im System», sagt Tilman Slembeck, der an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) forscht und lehrt.
Das sei für die einzelnen Spitäler zwar individuell teurer, aber für das System insgesamt günstiger, als wenn die Leute dauerhaft aus dem Pflegeberuf aussteigen. Die Spitäler müssten viel mehr einen Kulturwandel anstossen: Weniger Hierarchie und mehr Einbezug des Personals seien gefragt.
Für Monika Walter kommt eine Festanstellung erst wieder infrage, wenn die Personallücke in den Spitälern gestopft und für die Sorgen und Anliegen der Angestellten wirkliche Lösungen gefunden seien.