Darum geht es: Zehntausende Angestellte des Flugzeugbauers Boeing sind während sieben Wochen in den Streik getreten. Nun wurde eine Einigung erzielt. Es gibt 38 Prozent mehr Lohn und eine Einmahlzahlung von 12'000 Dollar pro Mitarbeiter. Im Gegenzug kehren die Angestellten an die Arbeit zurück. Die Boeing-Arbeiterinnen und -Arbeiter hatten zuletzt mehrere Nullrunden akzeptiert. Nun setzten sie nach einem wochenlangen Tauziehen eine deutliche Lohnerhöhung durch.
Das hat der Streik gekostet: Die Arbeitsniederlegung der Belegschaft hat den zweitgrössten Flugzeughersteller der Welt gemäss Schätzungen der Banc of America rund 50 Millionen Franken pro Tag gekostet. Von diesen Zahlen ausgehend bedeutet das für Boeing Kosten von deutlich über zwei Milliarden Dollar. Zum Vergleich: Der Konzern erzielte 2023 einen Verlust von 2.2 Milliarden Dollar.
Darum ist die Einigung für Boeing wichtig: Die Einigung mit der Belegschaft bedeutet für Boeing nach Jahren negativer Schlagzeilen wieder einmal Good News. Zuletzt stand vor allem das Qualitätsmanagement in der Kritik, nachdem es mit dem Modell 737-9 Max immer wieder zu verheerenden Pannen und sogar zwei Abstürzen gekommen war. Nun dürfte es vor allem darum gehen, die Verzögerungen bei der Auslieferung des Bestseller-Modells 737 sowie des Langstreckenjets 777 in Grenzen zu halten, um die Negativserie zu durchbrechen.
Das sind die Risiken für Boeing: Der Flugzeugbauer kommt den Mitarbeitenden mit den Lohnmassnahmen massiv entgegen. Zuvor hatten die Arbeiterinnen und Arbeiter mehrere Angebote des Konzerns abgelehnt – eine Machtdemonstration. Mit Blick darauf, dass Boeing vor einigen Wochen ankündigte, zehn Prozent der Arbeitsplätze zu streichen, sind neue Proteste in der Zukunft nicht ausgeschlossen. Mit den massiven Lohnerhöhungen sendet Boeing ein potenziell verheerendes Signal an die Mitarbeitenden, dass Streiks eine Rendite abwerfen.
So reagieren die Märkte: Boeing hat seit Anfang 2019 Verluste von mehr als 25 Milliarden Dollar erzielt. Das hatte auch Konsequenzen für den Aktienkurs. In den letzten fünf Jahren hat die Boeing-Aktie rund 55 Prozent ihres Werts eingebüsst. Nach der Einigung mit den Angestellten verzeichnete Boeing leichte Kursgewinne. Doch das strapazierte Unternehmen braucht nach den Verlusten frisches Kapital. Boeing plant eine Aktienkapitalerhöhung im Umfang von 19 Milliarden Dollar – das könnte dem Aktienkurs nochmals zusetzen.
Deshalb gibt es mittelfristig Grund für Optimismus: Trotz Milliardenverlusten, wochenlangen Streiks und massiven Qualitätsproblemen sieht der US-Finanzexperte Jim Cramer keineswegs schwarz für Boeing. Gegenüber CNBC erklärte er jüngst: «Verstehen Sie mich nicht falsch, dieses Unternehmen ist in einer schrecklichen Verfassung – aber nur zwei Unternehmen auf der Welt können Verkehrsflugzeuge in grossem Massstab bauen, und Boeing ist eines davon.» Seine Rechnung ist simpel: Die Nachfrage nach Flugzeugen sei enorm, also werde es Boeing mittelfristig wieder gut gehen.