Die Europäische Union will bis 2030 nur noch Bekleidung erlauben, die rezyklierbar ist. Die Lenkungsverordnung betrifft auch die Naturfaser Baumwolle, die heute weltweit in fast jedem Kleidungsstück steckt. Bedeutet die EU-Verordnung nun mittelfristig das Aus für Baumwolle? Die wichtigsten Fragen und Antworten dazu von SRF-Wirtschaftsredaktor Marcel Sigrist.
Was will die EU mit der Massnahme erreichen?
Die EU setzt ihre Ökodesign-Verordnung um, die in der Textilindustrie mehr Innovationen und mehr Recycling fördern soll. Die Verordnung ist seit Sommer 2023 in Kraft. Konkrete Recycling-Quoten für Textilien werden in den kommenden Jahren (frühestens 2026) festgelegt und verabschiedet. Mit den höheren Recycling-Anteilen will die EU die Kreislaufwirtschaft in der Textilindustrie vorantreiben. Die weltweite Bekleidungsbranche gilt als wenig nachhaltig, so dass eine solche Regulierung dringend notwendig erscheint und die Branche sie als Chance nutzen sollte.
Inwieweit betrifft die Verordnung der EU Baumwolle?
Die Naturfaser Baumwolle ist weltweit in den meisten Kleidungsstücken verarbeitet. Sie ist angenehm zu tragen und hat als Naturprodukt in der Textilindustrie auch wenig Alternativen. Mit dem von der EU geforderten höheren Recycling-Anteil kommt Baumwolle aber unter Druck: Vor allem ein mehrfaches Recycling (Kreislaufwirtschaft) ist mit der heutigen Technologie bislang nur schwer möglich: Die Baumwollfaser bricht und wird für Recycle-Garn zu kurz.
Wie reagiert die Textil- und Modebranche auf die EU-Verordnung?
Viele Akteure in der auf Schnelllebigkeit getrimmten, globalen Textil- und Modeindustrie werden sich der EU-Verordnung beziehungsweise den erhöhten Recycling-Anteilen in Bekleidung anpassen müssen. Denn es wird kaum möglich sein, in der globalen Textilverarbeitung auf Baumwolle zu verzichten. Zumal Kunststoff-Fasern wie Polyester, nicht wirklich eine Alternative zu Baumwolle sein dürften. Laut Sebastian Lanz, Geschäftsführer und Gründer mehrere Bio-Kleiderläden, sähe man bereits hohe Investitionen in der Branche. Sowohl international bei den grossen Akteuren, aber auch in der Schweiz, die sich diesem EU-Regulativ nicht wird entziehen können. So baut beispielsweise die Firma Tell-Tex AG in St. Margrethen (SG) aktuell eine hochmoderne Recyclinganlage für Baumwolle auf. Die Anlage soll 2026 ihren Betrieb aufnehmen und es ermöglichen, alte Kleidungsstücke in der Schweiz effizient und qualitativ hochwertig zu recyceln.
Was können Konsumentinnen und Konsumenten tun?
Die Ökodesign-Verordnung der EU nimmt die weltweiten Anbieter der Textil- und Modeindustrie in die Pflicht. Wenn Baumwolle also künftig besser recycelt werden kann, und sich damit der ökologische Fussabdruck der Branche verkleinern lässt, ist das gut. Angezeigt wäre aber auch, dass die Nachfrager nach Textilien, Konsumentinnen und Konsumenten, ihr Kaufverhalten ändern. So plädiert der Mode-Experte Jeroen van Rooijen unter anderem dafür, nicht mehr unnötige Berge von Kleidung zu kaufen. Bewusster und selektiver zu kaufen, die Kleider länger zu tragen und sich bereits am Anfang zu überlegen, ob die Textilien rezyklierbar sind oder nicht.