Es geht abwärts – und das ist für einmal ein gutes Zeichen: In der Eurozone ist die Inflationsrate im Dezember von über 10 auf noch 9.2 Prozent gesunken, in Deutschland von 10 auf 8.6 Prozent. Auch in der Schweiz – wo die Teuerung nie die hohen Werte des Auslands erreicht hat – ist die Inflation von 3 auf 2.8 Prozent gesunken.
Schweiz glimpflich davongekommen
Und so meint der Ökonom und ehemalige Preisüberwacher Rudolf Strahm: «Alle Indikatoren zeigen, dass wir uns sowohl in der Schweiz als auch in Europa am Wendepunkt befinden oder diesen bereits überschritten haben», sagt Strahm in der Wirtschaftswoche von Radio SRF.
«Die Schweiz ist mit 2.8 Prozent Jahresteuerung eher glimpflich davongekommen. Übrigens: Wenn man die Energie abzieht, sind es nur zwei Prozent. Die Teuerung bei den Inlandgütern lag bei 1.9 Prozent, bei den Importen bei sechs Prozent.»
Eine importierte Teuerung also verursacht im Wesentlichen durch stark gestiegene Preise im Ausland. Für die Eurozone mag deshalb die deutsche Ökonomin Ulrike Kastens noch keine Entwarnung geben: «Eine Trendwende ist es nicht, weil die Inflationsrate im Dezember nur aufgrund der gesunkenen Energiepreise zurückgegangen ist. Hier haben die Staaten eine grosse Verantwortung.»
In Deutschland habe der Staat Abschlagszahlungen für die Gasrechnungen übernommen; das habe sich stark in der Inflationsrate bemerkbar gemacht.
Viele Preise steigen weiterhin
Auch viele andere Staaten hätten Massnahmen ergriffen, um die Menschen zu schützen vor allzu hohen Energierechnungen, erklärt die Chef-Volkswirtin des Vermögensverwalters DWS, Ulrike Kastens. Ohne diese Massnahmen läge die Teuerung heute weit höher.
Denn viele Preise würden weiterhin steigen. «Bei Lebensmitteln sehen wir weiterhin einen ungebrochenen Steigerungstrend. Mittlerweile haben sich aber auch die Preise für Dienstleistungen, Transport, Mieten und Konsumgüter in der Eurozone merklich erhöht.» Kastens sagt voraus: «Die Inflation bleibt auch im Jahr 2023 für die Menschen und die Zentralbank ein grosses Problem.»
Die Europäische Zentralbank werde im Kampf gegen die Inflation die Leitzinsen noch weiter erhöhen müssen, meint die deutsche Expertin. Damit drohe aber in vielen europäischen Ländern eine Rezession, auch in Deutschland.
Gratwanderung für Notenbanken
Für die EZB – und auch für die Schweizerische Nationalbank – ist dies eine schwierige Gratwanderung. Ex-Preisüberwacher Rudolf Strahm drückt es so aus: «Die Kunst der Notenbanken ist es abzuschätzen, wie viel Teuerung in Kauf genommen und wie viel gebremst werden muss, mit dem Effekt, dass in zwölf Monaten eine Rezession stattfindet und Arbeitsplätze verloren gehen.»
In der Schweiz sei bei dieser relativ tiefen Teuerung eine Zinserhöhung nicht nötig, meint Strahm. Andere Ökonomen mahnen hingegen. Wenn die EZB die Zinsen weiter erhöhe, dann müsse auch die SNB nachziehen.
Denn sonst würde der Schweizer Franken geschwächt. Und das wäre ein Nachteil für uns, denn der starke Franken, da sind sich die Fachleute einig, hat mitgeholfen, die Kaufkraft der Schweizer Bevölkerung zu erhalten.