SP-Nationalrätin Jacqueline Badran (60) tritt nach einer selbstauferlegten dreimonatigen Pause wieder öffentlich auf. Im ersten Interview nach ihrer Auszeit gibt sie sich kämpferisch wie eh und je zu «ihren» Themen wie zu hohe Mieten und Krankenkassenprämien. Zu möglichen Waffenlieferungen an die Ukraine und zur Rolle der Schweiz zeigt sie sich gespalten.
SRF News: Sie treten am Swiss Economic Forum (SEF) an einem Panel mit dem Namen «rebellisch erfolgreich» auf. Fühlen Sie sich als Rebellin?
Jacqueline Badran: Überhaupt nicht. Ich finde es immer etwas kindisch, wenn Menschen, die vielleicht keine 0815-Ausstrahlung oder -Biografie haben, als Rebellen bezeichnet werden.
Aber Sie gelten als Rebellin der Politik?
Ich bin mehr der Typ Pfadiführerin. Ich nähre mich mit viel Fleiss und Arbeit, und das ist nicht besonders sexy und rebellisch.
Wegen steigender Benzinpreise gibt es politische Vorschläge im Ausland: Deutschland hat ein milliardenschweres Entlastungspaket beschlossen und in Frankreich werden die Benzinpreise gedeckelt. Sollte die Schweiz auch so etwas tun?
Nein, auf keinen Fall, das ist überflüssig. Es ist «Pipifax» im Vergleich zu den Mieten und Krankenkassenprämien und anderen Kosten, die massiv steigen. Diese belasten die Haushalte und den Konsum im Land. Die Mieten steigen seit Jahren um Milliarden, obwohl sie eigentlich sinken müssten. Das bedeutet einen volkswirtschaftlichen Gau.
Die Mieten steigen seit Jahren um Milliarden, obwohl sie eigentlich sinken müssten. Das bedeutet einen volkswirtschaftlichen Gau.
Man könnte aber auch sagen: Kleinvieh macht auch Mist.
Ja, es gäbe auch die Möglichkeit, Helikoptergelder zu sprechen, oder Gelder über die Krankenkassenprämien rückzuvergüten. Wenn man aber, wie es die SVP fordert, die Mineralölsteuer oder die Mehrwertsteuer senken würde, dann profitierte ein «Züribergler» überproportional, wenn er ein grosses SUV-Auto fährt, das 15 Liter verbraucht. Die anderen gehen leer aus, was nicht in Ordnung ist.
Zum Ukraine-Krieg: Deutschland hat einen Antrag gestellt, man wolle der Ukraine Munition aus der Schweiz liefern. Was ist Ihre Meinung dazu?
Das ist eine ambivalente Frage. Als Zivilbürgerin würde ich emotional sagen: Es ist ein Angriffskrieg, der völkerrechtlich geächtet ist. Wir müssen die Ukraine unterstützen, auch mit Waffen. Als Politikerin muss ich sagen: Wir haben ein Embargogesetz und das Neutralitätsrecht. Beides ist nicht kompatibel mit den beiden Rechten. Wir müssten zuerst das Recht ändern. Und ich bin nicht sicher, ob mehr Waffen den Frieden bringen, oder ob es nicht besser wäre, schnell zu einer Verhandlungslösung zu gelangen und die Schweiz dazu beitragen kann.
Wenn wir Waffen liefern, kann die Schweiz keine Verhandlungsrolle mehr übernehmen. Darin sind wir aber stark.
Ist es nicht etwas einfach, zu sagen: Wir machen nichts, obwohl eine Notfallsituation besteht?
Es wäre vielleicht einfacher, zu fordern, dass die Schweiz Waffen liefern muss, weil wir unsere Werte verteidigen müssen. Doch die Situation ist komplex. Es gibt eine Güterabwägung, gerade für die neutrale Schweiz. Man muss sehen: Wenn wir Waffen liefern, kann die Schweiz keine Verhandlungsrolle mehr übernehmen. Darin sind wir aber stark.
Aber die Verhandlungen sind ja sowieso gestorben. Man spricht auch immer von den guten Diensten der Schweiz, aber es passiert nicht viel. Eine konkrete Initiative der Schweiz wäre zum Beispiel, dass sie Getreide aus der Ukraine herausbrächte, damit der Hafen von Odessa frei wird.
Ja gut, aber das werden die Russen nicht tun, weil das ihr Druckmittel ist. Wenn schon müsste man den Landweg sichern – etwa so, dass SBB Cargo die Transporte ab der Grenze begleiten könnte. Wir können leider keine Güterwagen schicken, weil wir andere Trassee-Breiten haben als die Ukraine.
Das Gespräch führte Reto Lipp.