Es ist kein seltenes Bild, wenn man durch Schweizer Dörfer fährt: Die Beiz an der Hauptstrasse ist geschlossen, und zwar nicht wegen «Ruhetag», sondern weil sie aufgegeben wurde. Wie die «Sonntagszeitung» gestern berichtete, hat die Schweiz im vergangenen Jahr über 800 Gastrobetriebe verloren. Besonders schwer haben es offenbar Beizen auf dem Land.
Dies bestätigt auch Lukas von Bidder, Gastronomieberater bei der Firma «desillusion». Bidder sagt sogar, die «rurale Beiz», also die klassische Beiz auf dem Land, sterbe in der Schweiz langsam aus.
Neue Lebensgewohnheiten schaden Dorfbeizen
Der Grund liegt vor allem in den geänderten Lebensentwürfen der Menschen: Sie brauchen die Dörfer auf dem Land oder auch in der Agglomeration hauptsächlich zum Schlafen. Ihr Geld geben sie vor allem in der Stadt aus. Bidder sagt, die Identifikation mit dem Dorf gehe verloren, das bekomme auch der Beizer zu spüren.
Die Situation ist also paradox: Die Dörfer wachsen, immer mehr Menschen leben dort, aber die Beizen verlieren Kunden, denn die Dienstleistungen im Dorf werden immer weniger genutzt.
Müesli statt Menu 1
Ausgedient hat zudem das klassische kleine Menu über Mittag mit einem Kaffee Crème dazu - lange eine Einnahmequelle für Dorfbeizen. Die arbeitende Bevölkerung hat weniger Zeit fürs Mittagessen. Heute sei das Motto «schnell, gesund, günstig», sagt Bidder. Und das ist dann oft ein Birchermüesli aus dem Laden und nicht das Menu 1 in der Beiz.
Wer sich diesen Trends widersetzt, hat verloren. Bidder sagt, Beizen müssen ihr Konzept den Gästen anpassen, wenn sie überleben wollen. Am Mittag könne ein reduziertes Angebot mit einem begrenzten Service ausreichen. Erst am Abend lohne sich in der Regel eine Ausdehnung des Angebots und des Service, weil die Gäste dann mehr Geld ausgeben würden, so Bidder.
Wer will sich das antun?
Viele Landbeizen gehen auch zu Grunde, weil die Nachfolge zu spät oder gar nicht geregelt wurde. Innerhalb von Familien wollen die Kinder den Betrieb von den Eltern oft nicht übernehmen, weil sie gesehen haben, wie viel diese arbeiten müssen. Viele Restaurants in der Schweiz überleben nur dank unzähliger unbezahlter Arbeitsstunden des Wirts oder der Wirtin. Bidder hat zudem den Eindruck, dass ältere Wirte oft Mühe haben loszulassen und nur widerwillig auf neue Ideen der nächsten Generation eingehen.
Bidder sagt, insgesamt sei die Zahl der Schliessungen in der Schweiz nicht dramatisch. Es gebe eigentlich immer noch zu viele Restaurants. Wer überleben wolle, müsse sich radikal nach den Wünschen der Gäste ausrichten und sein Konzept entsprechend anpassen. Zudem müssten Wirte lernen, unternehmerisch zu denken. Nur dann haben die «Sonne», der «Sternen» und der «Bären» auf dem Dorf auch zukünftig eine Chance.
Sendebezug: SRF4 News, 27. 5. 2018