Bei Gerelli in Frauenfeld stapeln sich über zwei Meter grosse, weisse Säcke. «Das sind Big Bags mit bis zu 750 Kilo Erdnüssen drin», erklärt Raphael Weiss. Der Mann im Schutzmantel mit einer blauen Vlies-Haube auf dem Kopf ist der Chef der wohl grössten Schweizer Erdnussrösterei.
Isst man rohe Erdnüsse so, schmecken sie nach Erbsen.
In den hohen, gekühlten Räumen riecht es leicht nach frischem Gemüse. «Das sind die rohen Erdnüsse, sie duften nach grünem Gemüse. Isst man sie so, schmecken sie nach Erbsen», sagt Raphael Weiss. «Erst durch das Rösten erhalten sie ihren charakteristischen Geschmack.»
2200 Tonnen Erdnüsse
Jeder der unzähligen weissen Säcke ist mit einem QR-Code versehen. Dieser enthält Angaben zu Herkunft der Erdnüsse, zum Feld, dem Erntedatum oder der Grösse der einzelnen Erdnüsse, dem sogenannten Kaliber. Derzeit dreht sich bei Gerelli alles um diese weissen Säcke. Innerhalb weniger Wochen liefern rund 200 grosse Überseecontainer Big Bags in der Rösterei an – insgesamt 2200 Tonnen.
Die Erdnüsse in Frauenfeld stammen praktisch alle aus Ägypten oder Israel. Da ist der Boden sandig. «Das gibt eine helle Schale», sagt Raphael Weiss. Für ihn ist es wichtig, auch die richtigen Sorten einzukaufen. Das sind Früchte mit den klingenden Namen «North Carolina» und «Gregory».
Erdnussblüten in den Boden
Gesetzt werden die Erdnusspflänzchen im Frühling. Die grünen, buschigen Pflanzen tragen gelbe Blüten, welche sich nach einigen Tagen in die Erde bohren. Dann bilden sich unterirdisch Stränge aus, an denen die Erdnüsse wachsen.
Schimmel in einem Big Bag kann eine ganze Lieferung vernichten.
Geerntet werden die Erdnüsse ähnlich wie Kartoffeln. Die Wurzeln werden abgeschnitten und die Erdnüsse an die Erdoberfläche geholt, wo sie in der Wüstensonne trocknen. Ein wichtiger Schritt, sagt Raphael Weiss: «Sind die frischen Erdnüsse zu feucht, könnten sie schimmeln. Und Schimmel in einem Big Bag kann ganze Lieferungen vernichten.»
Noch im Produktionsland Ägypten werden die Erdnüsse nach Qualität und Grösse sortiert. Nur Nüsse mit perfekten Schalen sollen nach Frauenfeld geliefert werden. Die anderen können für andere Produkte wie Erdnussbutter oder Salznüsse verwendet werden.
Per Schiffscontainer in die Schweiz
Der Austausch der Schweizer Verarbeiter mit den Produzenten ist eng. «Wir sind mehrmals pro Jahr bei unseren Produzenten vor Ort, diskutieren über Anbaumengen und Qualität», sagt Raphael Weiss. Gerelli kauft gegen 10 Prozent des ägyptischen Angebots an Erdnüssen mit Schalen.
Die Ware wird in Container gepackt und gelangt an den Hafen von Alexandria. Dann geht es mit dem Containerschiff je nach Verfügbarkeit von Schiffen entweder Richtung Italien und dann per Bahn in die Schweiz. Oder die Ladung wird in die Häfen von Rotterdam oder Antwerpen geliefert. Diese Container erreichen die Rösterei in Frauenfeld per Rheinschiff, Bahn oder Lastwagen.
Weltpolitik beeinflusst Lieferketten
Allerdings: Viele Faktoren müssen perfekt zusammenpassen, damit die Lieferungen rechtzeitig eintreffen. Und derzeit haben weltpolitische Ereignisse auch direkten Einfluss auf die Produktion in Frauenfeld: So hat der Krieg in der Ukraine die Getreide-Exporte des Landes zum Beispiel nach Ägypten beeinträchtigt. Die Bauernfamilien haben somit umgeplant und vermehrt Weizen auf ihren Feldern angebaut, die Erdnussproduktion verzögert sich um ein paar Wochen. Der Zeitplan für Raphael Weiss und sein Team ist eng.
Eine weitere Herausforderung sind leere Container. Weil der Suezkanal kaum noch befahren wird, gibt es in Alexandria weniger verfügbare Container und Schiffe. Die Lieferungen können sich somit verzögern. «Dadurch, dass laufend Container auf verschiedenen Routen unterwegs sind, hoffen wir, immer genügend Ware zur Verfügung zu haben», rechnet Raphael Weiss vor.
Die Reise der Erdnüsse vom Produktionsland in unseren Chlaussack zeigt: Erdnüsse sind kein regionales Produkt. Doch Erdnüsse im grossen Stil bei uns zu produzieren, macht wohl wenig Sinn. Es fehlen die sandigen Böden, die Wärme, um die Früchte zu trocknen. Die Nüsse also in beheizten Anlagen zu produzieren, dürfte sich ökonomisch wie ökologisch kaum rechnen.
Wie bei allen Früchten aus den Tropen oder Subtropen gilt: Beim Transport lässt sich der Klimafussabdruck dieser Produkte gut steuern. Da bietet sich der Transport per Schiff als sinnvollste Lösung an. Kommt dazu, dass gerade im Schiffsverkehr in die EU weitere Klimaabgaben anfallen dürften, um die Klimabilanz solcher Transporte weiter zu verbessern.
Rösten rund um die Uhr
Treffen die Erdnüsse bei Gerelli ein, werden sie nun geröstet, derzeit auf mehreren Röstmaschinen, rund um die Uhr, sieben Tage die Woche. Raphael Weiss führt vorbei an ratternden Förderbändern und klettert über eine enge Wendeltreppe hinunter zu einem älteren – und deutlich lauteren Trommelröster. «Hier werden die Erdnüsse erhitzt, durchlaufen den Röster und werden danach abgekühlt», ruft der Gerelli-Chef.
Deutlich leiser ist der neuste Röster. Gemeinsam mit dem Schweizer Maschinenbauer Bühler hat Gerelli eine neue Röstmaschine konzipiert, getestet und in Betrieb genommen. Das Interesse an der Maschine von Fachleuten aus dem Ausland sei gross, bestätigt Raphael Weiss. Sie ermöglicht eine präzisere Verarbeitung der Erdnüsse.
Aussen hell, innen knackig
Entscheidend beim Röstprozess ist, dass die Nüsse nicht zu dunkel werden. Die Schale der Erdnüsse soll hell sein, der Kern innen gut geröstet und knackig. Deshalb braucht es bei allen Maschinen laufend Kontrollen. «Erdnüsse sind ein Naturprodukt», erklärt Raphael Weiss. «Röstdauer und Temperatur müssen stets überprüft werden.» Die Röstrezepturen selbst – sind Geschäftsgeheimnis.
Sind die Erdnüsse abgekühlt, werden sie verpackt. Je nach Kundschaft variieren da Packungsgrössen und Beschriftungen. Gerelli beliefert verschiedene Grossverteiler, Verarbeitungsbetriebe oder die Gastronomie. In der Auslieferungshalle warten unzählige Paletten mit Destinationen in der ganzen Schweiz, aber auch im nahen Ausland darauf, abgeholt zu werden.
Bis zum Nikolaustag laufen die Maschinen auf Hochtouren, dann stellt Gerelli wieder auf Normalbetrieb um. Die Zahl der grossen, weissen Säcke in den Kühlräumen nimmt mehr und mehr ab. Das ist die Zeit, in der Chef Raphael Weiss und sein Team die Produktionsplanung der Erdnüsse für 2025 in Angriff nehmen.