Die UBS geht aufs Ganze. Sie lässt den Schuldspruch von letzter Woche nicht auf sich sitzen: Das Strafurteil der zweiten Instanz zieht sie ans oberste französische Gericht weiter. Damit wählt die Bank das kleinere Übel.
Zwar entstehen nun noch mehr Anwaltskosten, noch mehr Unruhe und noch mehr unvorteilhafte Schlagzeilen. Der Ausgang des prominenten Rechtsstreits bleibt ungewiss – viel länger, als es der auf ein gutes Image bedachten Bank recht sein kann. Dazu kommt: Solche Unwägbarkeiten missfallen den Investoren. Die Affäre könnte den Aktienkurs noch auf Jahre belasten.
Es gilt weiterhin die Unschuldsvermutung
Doch dafür ist die UBS jetzt vorderhand nicht rechtskräftig verurteilt wegen ihres mutmasslich kriminellen Gebarens in Frankreich. Selbstverständlich bleibt der Vorwurf im Raum, sie habe systematisch reichen Franzosen geholfen, Steuern zu hinterziehen. Aber grundsätzlich gilt die Unschuldsvermutung, solange die rechtliche Auseinandersetzung läuft.
Andere ausländische Behörden dürften es sich gründlich überlegen, ob sie das Vorgehen der französischen Staatsanwälte zu kopieren versuchen. Denn es zeigt sich: Die Schweizer Grossbank ist widerborstig: Will man sie erfolgreich vor Gericht ziehen wegen Geldwäscherei von Erträgen aus Steuerbetrug, dann braucht es offensichtlich einen sehr, sehr langen Atem.
Derweil kann die UBS weiter ihre Sicht vertreten, wonach sie sich im Frankreich-Geschäft nicht in strafrechtlich relevanter Weise schuldig gemacht habe. Das ist inhaltlich konsequent. Denn schliesslich hat die grösste Schweizer Bank seit Beginn der Untersuchungen vor gut zehn Jahren stets betont, sie sei in dieser Angelegenheit unschuldig.
Schlüssige Verteidigungsstrategie
Die UBS streitet nicht ab, dass in der Vergangenheit undeklarierte Gelder vermögender Franzosen bei ihr lagen. Aber allein dadurch habe sie sich noch nicht strafbar gemacht. Das jüngste Verdikt des Pariser Berufungsgerichts sei verfehlt, argumentiert die Bank. Die neu noch 1.8 Milliarden Euro Strafe seien zudem mangelhaft hergeleitet. So wie bereits zuvor die 4.5 Milliarden Euro Strafe, zu der die erste Instanz die UBS im Februar 2019 verdonnert hatte.
Auch, wenn diese Darstellung wohl kaum alle Beobachterinnen und Kommentatoren überzeugt. Als Verteidigungsstrategie in einem milliardenschweren Rechtsstreit wirkt sie – nüchtern betrachtet – zumindest schlüssig.
Bedeutsam ist auch, was mit der Milliarden-Kaution geschieht, die – gemäss dem jüngsten Urteil aus Paris – vom französischen Staat eingezogen werden soll, gewissermassen als Teil der Strafe. Bis auf Weiteres kann die UBS diese Kaution als Anspruch bei sich verbuchen, also als Geld, dass sie auf dem Kautionskonto zugute hat (ähnlich wie bei einer Mietkaution).
Das heisst: Auch rein finanziell fährt die Bank mit der Anfechtung des Rechtsspruches tendenziell besser. Dafür nimmt sie offensichtlich weitere Unsicherheit und negative Schlagzeilen in Kauf.