In grossen Teilen der Gewässer vor der US-Ost- und Westküste sowie im Golf von Mexiko soll nicht weiter nach Öl und Gas gebohrt werden dürfen. Das hat der abtretende US-Präsident Joe Biden entschieden. Wirtschaftsredaktor Klaus Ammann beantwortet die wichtigsten Fragen.
Warum fällt Joe Biden den Entscheid gerade jetzt?
Damit will Biden offensichtlich sein Image als Präsident, der den Klimaschutz vorangebracht hat, festigen und seinem Nachfolger einen Stein in den Weg legen, der mit dem Slogan «drill, baby, drill» im Wahlkampf versprochen hat, die Öl- und Gasindustrie zu fördern. Offiziell begründet der abtretende US-Präsident die Massnahmen damit, dass die Förderung von Öl und Gas irreversible Schäden in den betroffenen Küstengebieten anrichten würde und dass die USA gar nicht auf zusätzliche Förderung angewiesen seien, um ihren Energiebedarf zu decken. In seinem Statement rühmt sich Joe Biden, mehr als 270 Millionen Hektaren – knapp 70 Mal die Fläche der Schweiz – an Land- und Wasserflächen unter Schutz gestellt zu haben, so viel wie kein US-Präsident vor ihm.
Wird der Donald Trump die Massnahmen gleich wieder rückgängig machen?
Laut Beobachtern dürfte es für Trump schwierig werden, Bidens Entscheid umzukehren, denn dieser beruft sich auf einen 72 Jahre alten Gesetzesparagrafen, der es Präsidenten erlaubt, Gebiete von der Ölförderung auszunehmen. Übrigens hat auch Trump diesen Paragrafen schon benutzt. Einmal erlassen, sind solche Verbote kaum mehr aufzuheben, weil das erwähnte Gesetz keine Möglichkeit dafür vorsieht. Gerichte haben denn auch noch nie eine solche Wiederaufhebung gutgeheissen. Eine Sprecherin des Übergangsteams von Donald Trump bezeichnete Bidens Entscheidung als «schändlich». Sie ziele darauf ab, Rache an den Wählern zu nehmen, die ihm das Mandat erteilt hätten, Bohrungen auszuweiten und die Gaspreise zu senken.
Wie ist es gekommen, dass die USA die Nummer 1 der Ölförderländer sind?
In der ersten Trump-Präsidentschaft haben die USA Saudi-Arabien 2018 als grössten Ölproduzenten der Welt überholt und seither die Produktion sogar noch gesteigert. Ihre Produktion ausgebaut haben die USA aber bereits unter Präsident Barack Obama. Nach der Jahrtausendwende sind dank neuer Technologien, insbesondere dank des sogenannten Frackings, riesige Vorkommen von Öl und Gas zugänglich geworden – und das zu bezahlbaren Preisen. Nach einem langsamen Niedergang seit den 1970er-Jahren hat dies in der Öl- und Gasindustrie der USA zu einer Trendwende geführt. Die USA wurden damit praktisch unabhängig von Lieferungen aus dem Nahen Osten.
Ist Trump der «Driller» und Biden der «Bremser»?
Es ist nicht so, dass Donald Trump die Öl- und Gasförderung nur gefördert und Biden sie anschliessend konsequent gebremst hätte. Im Gegenteil: Trump hat zwar mehr Lizenzen zur Öl- und Gasförderung verteilt. Doch auch er hat zum Beispiel gewisse Teile des Golfs von Mexiko geschützt. Auf der anderen Seite hat die Regierung Biden zwar die Auswirkungen der Öl- und Gasförderung zu limitieren versucht und strengere Regeln gegen Methan-Leaks bei der Förderung erlassen. Gleichzeitig hat Biden dem grössten Ölförderprojekt der USA, dem sogenannten Willow-Project in Alaska, grünes Licht gegeben. Ein Entscheid, den Umwelt- und Klimaschützerinnen heftig kritisiert haben. Unter dem Strich aber hat Joe Biden den Klimaschutz stark vorangetrieben und damit in der Öl- und Gasindustrie für Unmut gesorgt.