Wer hat wie viel Vermögen gewonnen, wer hat Geld verloren? Das interessiert uns als Medienkonsumenten, weil es eine andere Form von Klatsch und Tratsch ist. Es ist wie ein Blick durchs Schlüsselloch auf ein anderes gesellschaftliches Parkett. Es geht also um Voyeurismus.
Doch entsteht dabei nicht das Gefühl, ausgeschlossen zu sein, nicht dazuzugehören? Ja und nein, sagen Soziologen. «Wir bewegen uns immer in Referenzgruppen», erklärt Katja Rost von der Universität Zürich.
Der Mensch ist ein Status-Maximierer
Das heisst: Wir als Menschen definieren und suchen Gruppen, zu denen wir gehören und die sich von anderen unterschieden.
Bei den 300 Reichsten sei für die meisten Normalverdienenden klar, dass sie nicht zu dieser Gruppe gehören. Daher kommt bei den meisten auch kein Neid auf, kein schlechtes Gefühl, denn die Gruppe ist weit weg. Etwa so wie die Welt von Stars und Sternchen. Es geht um Unterhaltung.
Verklärte Orientierung nach oben
Doch warum interessieren ausgerechnet die Reichsten? Und nicht einfach andere Menschen? Ärmere, oder einfach die Nachbarn? «Der Mensch ist ein Status-Maximierer», sagt Katja Rost. Wir könnten nicht anders, als uns sozial nach oben zu orientieren. «Nach oben ist für uns der interessantere Vergleich», sagt sie.
Genau das kritisiert der Basler Soziologe Ueli Mäder. Reichtum werde in der Schweiz oft inszeniert, überhöht und verklärt dargestellt. In Medien werde das Bild vermittelt, wonach Reiche ihre Vermögen aus alleiniger Kraft geschaffen hätten. Reiche würden ideologisiert.
Es klopfen sich Leute auf die Schulter für Verdienste, die eigentlich nicht ihnen gehören
Dabei gehe Reichtum oftmals einher mit Erben und mit der Entwicklung an Kapitalmärkten. Die Herkunft der Vermögen und Verteilungsfragen würden ausgeblendet. «Es klopfen sich Leute auf die Schulter für Verdienste, die eigentlich nicht ihnen gehören», sagt Mäder.
Das Bild der strebsamen Reichen zementiere Diskrepanzen, die den gesellschaftlichen Zusammenhalt gefährden. Das frühere liberale Verständnis von Ausgewogenheit sei am Schwinden, so Mäder.
Und dennoch hätte die Sonderausgabe der «Bilanz» eine wichtige Funktion. «Es wird transparent, wie viel Geld vorhanden und wie Reichtum verteilt ist», so Mäder. Je nachdem, wie man diese Berichte liest, findet man also wirtschaftspolitische Auslegeordnungen – oder Klatsch und Tratsch.