SRF: Die heftigen Reaktionen in Europa sind nachvollziehbar. Warum aber hat der Entscheid der SNB, den Euro-Mindestkurs von 1.20 Franken fallenzulassen, auch in den USA und in Asien für Verluste gesorgt?
SRF-Wirtschaftsredaktor Iwan Lieberherr: Ich denke, die Händler rund um den Globus müssen diesen Schock erst einmal verdauen. Die Nationalbank hat die Anleger überrascht und verunsichert. Entsprechend gab es auch grössere Kursausschläge an der US-Börse. Allerdings sind die Kursverluste an der Wall Street zu einem guten Teil auf enttäuschende Unternehmenszahlen zurückzuführen und nicht der Schweizerischen Nationalbank anzulasten – im Gegensatz zu den Verlusten an den asiatischen Märkten.
Warum haben denn gerade die Börsen in Asien derart heftig auf den SNB-Entscheid reagiert?
Weil der japanische Yen in diesen Kursstrudel hineingezogen wurde. Nachdem die Nationalbank den Franken vom Euro abgekoppelt hatte, ist der Franken in die Höhe geschossen. Umgekehrt haben Euro und Dollar an Wert verloren – auch gegenüber dem Yen.
Gegenüber dem Yen hat der Dollar sogar deutlich nachgegeben. Die Folge: In den USA werden Produkte aus Japan teurer. Das hat vor allem die Aktien von japanischen Exportunternehmen nach unten gedrückt. Zum Beispiel die Aktien des Unterhaltungselektronik-Herstellers Sony oder jene des Autokonzerns Nissan. Der Leitindex Nikkei gab zeitweise knapp drei Prozent nach.
Ist damit nun das Schlimmste an den Börsen vorbei, oder erwarten Sie heute weitere Turbulenzen?
Ich werde mich davor hüten, konkrete Prognosen zu machen. Gut möglich, dass die Schockwellen noch länger zu spüren sind. Tage, Wochen, Monate vielleicht. Nationalbankpräsident Thomas Jordan hat gestern beschwichtigt. Im Moment würden die Märkte überschiessen. Das sollte sich mit der Zeit wieder beruhigen. Ein Euro-Kurs von 1.10 Franken sollte für die Wirtschaft verkraftbar sein, heisst es bei der Konjunkturforschungsstelle KOF der ETH Zürich. Darauf hofft wohl auch die Nationalbank.