Die Beziehungen zwischen der EU und der Schweiz sind gelinde gesagt kompliziert. Sehr direkt spürt das die Schweizer Börse SIX. Denn die EU ziert sich, die Schweizer Finanzmarktregulierung als gleichwertig anzuerkennen.
Das könnte – im schlimmsten Fall – nicht nur der Schweizer Börse schaden, sondern dem gesamten Schweizer Finanzplatz. Romeo Lacher ist Verwaltungsratspräsident der SIX Group, die die Schweizer Börse betreibt.
Die EU statuiert ein Exempel an der Schweizer Börse.
Dass der Streit zwischen der EU und der Schweiz ausgerechnet auf dem Rücken seines Unternehmens ausgetragen wird, kann er nicht nachvollziehen. Dennoch hält er sich mit Kritik an Brüssel zurück. Er sagt nur drei Worte: «Das ist ärgerlich.» Ärgerlich, weil es gar keinen Grund dafür gebe, die Schweiz zu diskriminieren. Denn die EU hat die Schweizer Regeln bereits akzeptiert.
Diese Anerkennung hat Brüssel jedoch auf ein Jahr befristet – im Unterschied etwa zum Finanzplatz Hongkong, dem das sogenannte Börsenäquivalenz-Gütesiegel unbefristet gewährt wurde. Für Lacher ist deshalb klar, dass die EU ein Exempel an der Schweizer Börse statuiere. «Es geht nicht um die Schweizer Börse oder um SIX, sondern letztlich um die künftige Ausgestaltung der Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU.»
Noch ist fraglich, ob die EU die Schweizer Finanzplatzregeln auch nächstes Jahr als gleichwertig anerkennen wird. Sie macht ihr Entgegenkommen ausdrücklich von substanziellen Fortschritten bei den Verhandlungen über ein Rahmenabkommen abhängig. Doch diese Verhandlungen sind vorerst gescheitert.
Weniger Jobs, weniger Steuereinnahmen
Sollte die EU nun der Schweiz das Gütesiegel verweigern, so hätte das gravierende Folgen. Händlern in EU-Ländern wäre es verboten, Schweizer Aktien an der Schweizer Börse zu kaufen und zu verkaufen. Der Schweizer Börse könnte deswegen ein Grossteil des Geschäfts wegbrechen. Die grosse Mehrheit der Börsenaufträge kommt heute nämlich aus dem EU-Raum.
Wir werden Auswirkungen auf die Attraktivität des Schweizer Finanz- und Kapitalmarktes sehen.
Schaden nehmen würde aber nicht allein die Börse, befürchtet der SIX-Verwaltungsratspräsident: «Ich glaube, dass wir Auswirkungen auf die Attraktivität des Schweizer Finanz- und Kapitalmarktes sehen werden, bis hin zu weniger Arbeitsplätzen und geringeren Steuereinnahmen.»
Allerdings: Lacher geht nicht davon aus, dass dieser «Worst Case» eintreten wird. Denn Bundesrat Ueli Maurer hat bereits einen Notfallplan angekündigt, um die Schweizer Börse und den Finanzplatz insgesamt zu schützen.
Maurer hat Notfallplan in der Schublade
Sollte die EU die Schweizer Börse diskriminieren, will die Schweiz ihrerseits Handelsplätze in Europa nicht mehr anerkennen. Schweizer Aktien wären dann in der EU nicht mehr zum Handel zugelassen. Mit der Folge, dass die Richtlinien der EU keine Anwendung mehr fänden und die europäischen Handelsteilnehmer an der Schweizer Börse weiterhandeln könnten, so Lacher.
Möglicherweise könnte die Schweizer Börse sogar von diesem Notfallplan profitieren. Nämlich dann, wenn EU-Händler trotz allem auf Schweizer Aktien setzen und Aufträge statt wie heute im Ausland wieder vermehrt in der Schweiz abgewickelt werden. «Im besten Fall könnte man davon ausgehen, dass tendenziell noch mehr Volumen an der Schweizer Börse gehandelt wird.»
Doch das ist ungewiss. Niemand wagt vorherzusagen, wie sich Händler und Anleger verhalten werden. Zuerst muss nun die Europäische Union entscheiden, wie es mit der Börsenäquivalenz 2019 weitergehen soll. Im Wissen um den Notfallplan von Finanzminister Maurer.