Ende Januar hätte der kleine Buchladen Rapunzel in Liestal schliessen müssen. Umsätze schwanden, und es wurde schwierig, die Löhne für das qualifizierte Personal zu decken. Ein Grund ist die Digitalisierung: Namentlich Schulmaterialien – ein wichtiges Standbein – werden immer weniger gekauft.
In letzter Minute das Aufatmen: Die Schweizer Bücherkette Orell Füssli übernimmt den Laden. Am Freitagnachmittag öffnet «Rapunzel» unter dem neuen Firmendach wieder.
Die Erleichterung ist riesig: Alle Mitarbeitenden dürfen bleiben, ebenso bisherige Angebote wie Privat-Abende oder ein Lesekreis. Auch punkto Sortiment vertraut die neue Eigentümerin dem alten Team.
Gegründet hatte Rapunzel 1980 eine Gruppe von Frauen, die selbständig einen Buchladen führen wollten. «Man kann stolz sein, dass es den Laden schon so lange gibt», sagt Co-Leiterin Maya Itin. Das Konsum- und Freizeitverhalten habe sich stark verändert; Konkurrenz machten etwa Filme und Podcasts, aber auch E-Books und Hörbücher.
Synergien bringen mehr Effizienz
Der Unterschied von einer grossen Kette zu einem kleinen Laden sind Synergien. Die Kundschaft könne via Instagram oder Webseite online ordern, komfortabel und auch von unterwegs, und das Bestellte dann auch in Liestal abholen, erklärt Orell-Füssli-Vertriebsleiterin Simona Pfister-Flammer.
Bestellungen werden künftig automatisiert abgewickelt, und persönliche Dankesmails entfallen. Das kostet zwar Nähe zur Kundschaft, ist aber wesentlich effizienter, also günstiger.
Bestellungen abzuholen sei beliebt, gerade in bahnhofsnahen Filialen wie in Liestal. Zudem sei Rapunzel lokal gut verankert und habe noch viel Potenzial. Jedenfalls erwartet Simona Pfister-Flammer dort Umsatzwachstum und wieder schwarze Zahlen.
Orell Füssli hat in den letzten Jahren einige kleinere Buchläden übernommen. Heute hat die Kette 800 Angestellte und 55 Filialen. Laut Simona Pfister-Flammer geht es meist um Nachfolgelösungen, so auch zuletzt bei der Übernahme des Buchparadieses mit drei Filialen im Raum Zürich.
Jede Buchhandlung, die vom Markt verschwindet, ist schlecht für die Branche.
Für kleinere Buchläden sei der Markt anspruchsvoll und als Kette könne Orell Füssli Stabilität bieten. Das Unternehmen habe zuletzt den Umsatz gesteigert. Insgesamt sei der Deutschschweizer Büchermarkt trotz Schwankungen recht stabil.
Wichtig sei Präsenz: «Jede Buchhandlung, die vom Markt verschwindet, ist schlecht für die Branche», denn es gehe ja um die Sichtbarkeit des Buches, des Lesens und der Bildung.
«Das Buch ist immer wieder mal totgesagt worden», sagt Simona Pfister-Flammer optimistisch. «Unsere Konkurrenz ist gross – aber das sind nicht andere Buchhändler, sondern Social Media und andere Freizeitbeschäftigungen.»
Soziale Medien als Fluch und Segen
Soziale Medien können allerdings Büchern auch Schub geben, wie einzelne Tiktok-Phänomene zeigen. Zudem kaufen nicht alle Leseratten nur in Buchläden ein, sondern auch Brockenhäuser sind sehr beliebt, gerade Bücherbrockis. Deren Verkaufszahlen sind jedoch schwierig zu überblicken.
Auch wenn Rapunzel selbst vor dem Aus stand, sieht Maya Itin weiterhin Chancen für kleine Buchläden. Sie kenne persönlich mehrere unabhängige – kleinere und grössere – und manche seien sehr wohl erfolgreich und rentabel.
Das brauche aber viel Engagement und Flexibilität. Und: «Es braucht auch ein wenig Glück», wie sie es jetzt gehabt hätten.