Für Kontinuität hat sich UBS mit der Wahl des 54-jährigen Niederländers Ralph Hamers nicht entschieden. Kontinuität hätte die oberste Chefin des Bankbetriebs, Chief Operating Officer Sabine Keller-Busse, geboten. Oder der altgediente US-Amerikaner Tom Naratil, der schon verschiedenste Top-Funktionen im Konzern bekleidete.
Die Wahl Hamers verspricht dafür Disruption, einen Totalumbau des Geschäfts. Banken müssten zu Plattformen für Anbieter und Nachfrager von Geld werden: zu digitalen Marktplätzen. So lautet seit längerem das Credo jener, die im Banking nach neuen Geschäftsmodellen suchen. So hat sich in der Vergangenheit auch der künftige UBS-Chef Hamers geäussert.
Neue Modelle schon Realität
Banken könnten agieren wie der Fahrdienstanbieter Uber oder der Unterkunftsvermittler Airbnb. Sie könnten Private mit Geld zum Anlegen zusammenführen mit Privaten auf der Suche nach einem Kredit. Was für traditionelle Bankinstitute noch futuristisch anmutet, ist im Bereich der Finanz-Startups bereits Realität. In der Schweiz macht zum Beispiel lend.ch genau das.
Nun ist UBS nur zum kleinen Teil eine klassische Bank, die das Geld, das Kunden bei ihr aufs Konto legen, anderen als Kredit vergibt. Das Kerngeschäft ist das Verwalten grosser und grösster Vermögen. Und das Betreuen ihrer reichen und superreichen Besitzer, umsorgt von ganzen Beraterteams: Nicht nur bei der Anlage von Geld oder der Optimierung der Steuern, sondern auch bei der Planung des Nachlasses oder der Wahl geeigneter Projekte für die Wohltätigkeit.
Bedürfnis nach Betreuung
Nicht zuletzt hat sich die vermögende Klientel daran gewöhnt, eingeladen zu werden zu Anlässen unter ihresgleichen: Zum White Turf, an den Opernball, zum Formel-1-Grand-Prix oder auch nur in die Champions Lounge. Und spätestens dort stösst die Digitalisierung an ihre Grenzen.
Banking ist keine digitale Plattform, sondern ein «People Business», ein Geschäft, das auf zwischenmenschliche Beziehungen baut, lautet das traditionelle Geschäftsverständnis. Das gilt umso mehr, wenn es um die Vermögensverwaltung geht, wo jeweils Heerscharen von Kunden, die Beziehung künden, sobald ihr Betreuer zur Konkurrenz wechselt. Und ausgerechnet in der Vermögensverwaltung ist die UBS seit Jahrzehnten die Weltnummer 1.
Wenn Hamers im November übernimmt, wird die Frage sein, wie konsequent er das Traditionshaus in Richtung eines Top-Players der digitalen Plattformökonomie umbauen will. Und wie tauglich das heutige Fundament dafür ist. Wird er alles umkrempeln? Oder wird er versuchen, die Digitalisierung in neuen kleinen UBS-Boutiquen voranzutreiben, um den Neuen wie Revolut, N26 oder Lend Paroli zu bieten. Und nur dort umzubauen, wo die Kundschaft dies auch schätzt.
Auch die alte Rivalität auf dem Bankenplatz Schweiz zwischen UBS und Credit Suisse dürfte neu lanciert werden. Mit zwei Neuen an der Spitze und zwei unterschiedlichen Konzepten: Mit der Credit Suisse, die mit der Wahl des internen, durchaus als innovationsfreudig geltenden Thomas Gottstein in einer unruhigen Phase auf Kontinuität setzt. Und die darauf baut, dass die digitale Transformation schrittweise und mit den bisherigen Kräften gelingt.
Mit der UBS, die mit Hamers einen Visionär an die Spitze holt, der mit seinen Ideen die Bank aufrütteln soll. Erfolg oder Misserfolg dürften vor allem von der richtigen Intensität und dem richtigen Timing abhängen.
Sendebezug: SRF 4 News, 20.02.2020, 07:00 Uhr