Das 400 Meter lange Containerschiff «Ever Given» der chinesischen Reederei Evergreen kann seine Fracht erst weitertransportieren, wenn mit den ägyptischen Behörden eine Einigung gelingt.
Ägypten fordert fast eine Milliarde Dollar Schadenersatz nach der tagelangen Blockade des Suezkanals Ende März. Wie es weitergeht, soll in Kairo an einer gerichtlichen Anhörung entschieden werden.
Lieferungen verspäten sich
Wann die Besitzer ihre Waren erhalten, ist damit unklar. Tausende Firmen haben auf der «Ever Given» Waren von Asien nach Rotterdam auf die Reise geschickt. Darunter ist laut dem «Wall Street Journal» auch der Grossverteiler Aldi. Aldi Schweiz bestätigt vereinzelte Lieferverzögerungen im Non-Food-Bereich. Viele weitere Firmen sind vom damaligen Stau am Suezkanal betroffen.
Die «Ever Given» kann 10’000 bis 20'000 Container laden – je nach Grösse. In einem Standard-Container etwa haben 10’000 Paar Schuhe Platz. Die Besitzer der Container machen Druck, dass auf kleinere Schiffe umgeladen wird.
Doch abgesehen vom logistischen Albtraum einer solchen Übung erhalte seine Ware erst, wer eine Vorauszahlung leiste, sagt Historiker Marc Levinson, der ein Buch über die Geschichte der Containerschifffahrt geschrieben hat.
Wer nicht versichert ist, muss selber bezahlen
«Im Seefahrtrecht ist geregelt, dass in einem Katastrophenfall wie bei der ‹Ever Given› die Besitzer der Container die Rettungskosten für das Schiff mittragen», erklärt Levinson. Für grosse Firmen, die ihre vielen Container versichert hätten, sei das kein Problem.
Doch kleine Firmen seien typischerweise nicht versichert. Sie müssten die Vorabsumme selbst bezahlen – in der Regel 10 bis 20 Prozent des Warenwerts. «Das kann kleine Firmen in Not bringen», so Levinson.
Sind die schwerfälligen Kolosse bald passé?
Weil die Containerschiffe in den letzten Jahren immer grösser geworden sind, steigen auch die potenziellen Kosten von Unfällen. Levinson schätzt, dass die Containerriesen ihre maximale Grösse allenfalls erreicht haben.
Aber nicht wegen des Unfalls der «Ever Given», sondern aus wirtschaftlichen Gründen: «Die globalen Wertschöpfungsketten sind langsamer als noch vor 20 Jahren. Und die riesigen Containerschiffe sind ein Grund dafür», erklärt Levinson. Sie seien weniger flexibel, langsamer und verlören erst noch zu viel Zeit in den Häfen, weil das Be- und Entladen aufwendiger geworden sei.
Die globalen Wertschöpfungsketten sind langsamer als vor 20 Jahren. Die Container-Riesen sind ein Grund.
Zu diesem Schluss kommt auch der dänische Schifffahrtsexperte Lars Jensen. Ingenieure seien zwar in der Lage, technisch noch grössere Containerschiffe zu bauen. Doch entscheiden sei letztlich die Wirtschaftlichkeit der Schiffe. Zwar sänken bei grösseren Schiffen die Kosten pro transportierte Einheit, doch die Anzahl der Fahrten nehme ab. Also nur noch einmal pro Woche von Asien nach Europa.
Auch seien die Häfen limitiert, die man anlaufen könne. Es sei ein bisschen wie mit dem Airbus 380 in der Fliegerei, sagt Jensen: «Zu gross, um effizient zu sein.» Seine Analysen zeigen, dass vermehrt wieder kleinere Containerschiffe bestellt und gebaut werden.
Es werden vermehrt wieder kleinere Containerschiffe bestellt und gebaut.
Allerdings sind auch diese Schiffe mit bis zu 15'000 Containern nicht «klein». Aber sie fahren öfters und sind flexibler bezüglich der Häfen. Und sie bleiben bestimmt auch seltener stecken, wie etwa die «Ever Given» im Suezkanal.