Die Aktie der Schweizer Grossbank Credit Suisse ist heute so tief gefallen wie noch nie, vorübergehend wurde der Handel mehrmals gestoppt. Bei Börsenschluss betrug das Minus im Vortagesvergleich gut 24 Prozent. Die CS habe ein Vertrauensproblem, sagt Wirtschaftsredaktor Jan Baumann. Doch Kapital habe sie genügend.
SRF News: Warum haben die Aktien der CS heute so stark nachgegeben?
Jan Baumann: Angestossen hat den Kursabsturz eine Äusserung des Grossaktionärs Saudi National Bank mit der Aussage, man werde die Beteiligung an der CS nicht über die aktuell knapp zehn Prozent hinaus erhöhen.
Der Chairman der saudischen Bank sprach der CS-Spitze gleichzeitig das Vertrauen aus und sagte, die CS habe derzeit gar kein neues Kapital nötig.
Die Börse interpretierte die Aussage als Misstrauensvotum gegenüber der Credit Suisse – obschon der Chairman der saudischen Bank der CS-Spitze gleichzeitig das Vertrauen aussprach und sagte, die CS habe derzeit gar kein neues Kapital nötig. Das Problem der CS ist also nicht fehlendes Kapital, sondern der Vertrauensverlust bei den Anlegerinnen und Anlegern, die ihre CS-Aktien verkaufen.
Laut der «Financial Times» hat die CS die Schweizerische Nationalbank und die Finanzmarktaufsicht um ein «Zeichen der Unterstützung» gebeten. Wie ist das zu interpretieren?
Man weiss nicht, was genau an der Meldung dran ist. Es erscheint allerdings plausibel, dass die SNB und die Finma in engem Kontakt mit der CS-Führung stehen. Was dabei herauskommt, ist völlig offen – man wird sehen, was in den nächsten Stunden oder Tagen passiert.
Hat die CS denn ein wirklich ernsthaftes Problem?
Ja. Ihr grösstes Problem ist, dass die Kundinnen und Kunden schon seit mehreren Monaten ihr Geld abziehen. So sind der Credit Suisse bereits 120 Milliarden Franken an Kundengeldern verloren gegangen. Wenn nun das Misstrauen in die Bank weiter zunimmt – etwa durch den Kurssturz der Aktien an der Börse –, könnte immer noch mehr Kundengeld abgezogen werden.
Ein Signal der Behörden könnte jetzt die CS-Kundschaft durchaus etwas beruhigen.
Das wäre ein Teufelskreis, in dessen Verlauf die CS ihre Geschäftsgrundlage verlieren und quasi ausbluten würde. Da hilft es ihr dann auch nicht viel, wenn sie über ausreichend Kapital verfügt. Wenn jetzt die Behörden ein Signal geben würden, könnte das die CS-Kundschaft durchaus etwas beruhigen und die Wogen ein bisschen glätten.
Welche Handlungsoptionen haben die Schweizer Behörden denn?
Helfen würde schon, Klarheit zu schaffen, dass es für die Kundschaft keinen Grund gibt, der CS das Vertrauen zu entziehen. Wenn das allein nicht hilft, könnte man der CS mit Garantien unter die Arme greifen. Im Extremfall wäre eine Rettungsaktion wie vor 15 Jahren bei der UBS denkbar. Allerdings ist es wichtig, den Teufel jetzt nicht an die Wand zu malen: Weil der Aktienkurs der Credit Suisse im freien Fall ist, ist ihre Funktionsfähigkeit als Bank nicht grundsätzlich infrage gestellt.
Das Gespräch führte Simone Hulliger.