- Dänemark hat schon 2012 Negativzinsen eingeführt, also lange vor der Europäischen Zentralbank – und lange vor der Schweiz.
- Banken geben die Ausfälle im Zinsgeschäft weiter an die Kunden, indem sie höhere Gebühren verlangen. Und Pensionskassen haben Schwierigkeiten, Renditen zu erwirtschaften.
- In Dänemark gewichtet man aber die Nebenwirkungen der Negativzinsen niedriger als deren Ziel: ein fester Wechselkurs zum Euro.
Eine Volkswirtschaft wie die dänische könne «für eine sehr lange Zeit» mit Negativzinsen leben, sagt Nationalbank-Gouverneur Lars Rohde im Interview mit «ECO». Niemand kann auf mehr Erfahrungswerte zurückgreifen als er. Denn Rohde war viel früher dran als die Schweiz, früher als Europa, früher als Japan.
Schon 2012 führte er Negativzinsen ein, seither müssen Geschäftsbanken für das Geld, das sie bei der Nationalbank deponieren, Zinsen zahlen. 2015 senkte er sie drastisch, nachdem die Schweizerische Nationalbank den Mindestkurs aufgegeben hatte und Spekulanten begannen, die Standhaftigkeit der Dänen zu testen.
Rohdes Ziel: den Kapitalfluss nach Dänemark bremsen, damit die dänische Krone nicht stärker wird. Der fixe Wechselkurs der Krone zum Euro – und früher zur D-Mark – ist seit Jahrzehnten unbestritten.
Banken erhöhen Gebühren – und stehen dazu
Aktuell liegt der Satz bei minus 0,65 Prozent. Die Negativzinsen treffen zuerst die Banken. Sie müssen der Nationalbank nicht nur Zinsen zahlen, sie verdienen auch weniger im Zinsgeschäft, also in ihrem Kerngeschäft. Die Situation sei schwierig, bestätigt Lone Kjærgaard, Finanzchefin der Arbejdernes Landsbank, und schiebt gleich hinterher, weshalb aus Bankenkreisen dennoch kaum Kritik an der Nationalbank zu vernehmen ist: «Banken gelten noch immer als ‹bad guys› der Finanzkrise, deshalb halten sie sich mit Beschwerden zurück».
Es gibt einen zweiten Grund, und auch den räumt die Bankerin unumwunden ein: Die Banken kompensieren die Rückgänge im Zinsgeschäft mit höheren Gebühren. Somit sind die Kunden zwar nicht direkt von den Negativzinsen betroffen, aber indirekt via höhere Gebühren. Lone Kjærgaard findet das nicht unfair: «Banken müssen als private Firmen Geld verdienen, und das geht so momentan am besten».
Was dies fürs eigene Portemonnaie heisst, weiss Kim Voigt Juhlin. Er besitzt ein Haus, bezahlt für seine Hypothek zwar tiefe Zinsen, dafür wiederkehrende Gebühren, die bis zu zehn Mal höher ausfallen können. «Für ein übliches Haus kann das 5000 oder 10'000 Euro pro Jahr ausmachen, und das ist nicht in Ordnung», sagt Juhlin, der mit der Vereinigung «Fair Bidragssats» gegen steigende Bankgebühren kämpft.
«Das wird nicht schön werden»
Leidtragende der Negativzinsen sind auch die Pensionskassen. Sie müssen für die Versicherten die bestmögliche Rendite erwirtschaften, doch Rendite gibt es in dieser Situation nur mit riskanteren Anlagen.
Kasper Ullegard, Anlagestratege bei der Pensionskasse Sampension, befürchtet: «Wir werden Jahre erleben mit tiefen Erträgen. Die Frage stellt sich, wie die Gesellschaft damit umgehen wird. Das wird nicht schön werden.» Und doch hört man auch von ihm nur Lob für die Politik der dänischen Notenbank.
Notenbank-Chef Lars Rohde erklärt sich das damit, dass das Ziel der Negativzinsen, der fixe Wechselkurs zum Euro, bei Däninnen und Dänen tief verwurzelt sei. Und: «Vor allem die Industrie wäre stark betroffen, wenn wir den fixen Wechselkurs aufgäben: Die Krone würde höchstwahrscheinlich aufwerten, die Wettbewerbsfähigkeit zurückgehen».
Auswirkungen haben die Negativzinsen schliesslich auf die Immobilienpreise. In Kopenhagen sind sie bis zu 60 Prozent höher als noch bei Einführung der Negativzinsen. Das ist selbst für Genfer und Zürcher Verhältnisse viel.
In den Augen Rhodes müssen die Steuerpolitik und die Systemüberwachung greifen, wenn solche Bedenken auftauchen. «Ja, es gibt Nebenwirkungen, vor allem was die Finanzstabilität angeht, und es wird Geld verschoben von den Sparern zu den Schuldnern», sagt er. Aber was zähle, sei, dass sich das makroökonomische Umfeld nicht verändert habe.
Bankanalyse stützt Rohdes Optimismus
Die Negativzinsen in Dänemark als Erfolg zu werten, wäre verfrüht, zumal sie dort wie in der Schweiz ein Experiment mit offenem Ausgang sind. Rohdes positives Zwischenfazit wird aber doch gestützt von einer Analyse der Nordea-Bank in Kopenhagen. Ihr zufolge funktionieren Negativzinsen, um eine Währung zu schwächen, wie das in Dänemark (und in der Schweiz) der Fall ist.
Sie funktionieren aber nicht, um die Kreditvergabe anzutreiben – wie es Mario Draghi, Chef der Europäischen Zentralbank, seit über zwei Jahren versucht.