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Wirtschaft Das langfristige Handeln lag ihm am Herzen

Fast 100 Jahre alt ist Hans Vontobel geworden. Der Zürcher Bankier war wie kein anderer in dieser Branche: Vontobel wollte nicht nur Geld verdienen, sondern der Gesellschaft als Mäzen auch etwas zurückgeben. Ein Nachruf.

Hans Vontobels Lieblingsdrink war Wodka-Orange – und gerne sagte er dazu: «Vorsicht: der Drink sieht seriös aus, er ist es aber nicht. Das ist wie bei den Bankiers.» Täglich war der Bankier alter Schule im Büro seines Finanzinstituts anzutreffen, fast bis zum Schluss. Er grüsste immer mit der ehrlichen Frage: «Wie geht es Ihnen?». Er arbeite gerne; leiste gerne etwas, sagte Vontobel. Ausserdem habe er gerne Kontakt mit Menschen.

Das langfristige Denken vermisst

Zwar war er zuletzt nur noch Ehrenpräsident der Bank Vontobel. Da er und seine Familie aber die Mehrheit der Aktien besitzen, wollte er trotzdem weiterhin in der Nähe sein. Er nannte dies, «sein Kind hegen und pflegen» – und langfristig denken. Denn gerade der verantworutngsvolle Blick in die Zukunft, das langfristige Denken und Handeln, lagen ihm am Herzen.

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Mit der heute vorherrschenden kurzfristigen Sichtweise hatte Vontobel seine liebe Mühe – und kritisierte sie auch in deutlichen Worten: «Es zählt nur der rasche Profit. Die Bankkunden wollen einzig kurzfristig viel verdienen – und die Bankleitung will kurzfristig zeigen, dass sie mehr verdient als die anderen.» Das sei «kindisch», sagte er 2009 in der SRF-Sendung «Aeschbacher». Er sei gegen Ranglisten, die aufzeigten, wer die besten Renditen erziele. Es sei Zeit, wieder zu lernen, andere Werte ins Zentrum zu rücken.

Der Mensch im Zentrum

Vontobels Werte und die Werte eines Bankiers waren – erstens – der Mensch. Dieser stand für ihn stets im Zentrum. Und zwar als Mensch, und nicht als Zahl. Dazu gehörte – zweitens – die humanistische Bildung. Vontobel war Verfechter einer vielseiteigen Ausbildung.

Entsprechend gross waren sein Interesse und seine Neugier: Er wollte bis zum Schluss wissen, wie zum Beispiel die Natur funktioniert, oder wie sich die Völker der Welt entwickelt haben. Schliesslich übernimmt – drittens – ein Bankier gesellschaftliche Verantwortung. Er denkt und handelt nicht nur für sich, sondern für die Gesellschaft.

Beharrlich in seinen Ansichten

Auch wenn er mit seiner Meinung jeweils abseits stand; Vontobel vertrat sie hartnäckig und beharrlich. Wenn Ansichten oder gewisse Entwicklungen von allen geteilt oder gutgeheissen würden, werde er stets misstrauisch, sagte der Bankier einmal.

Zwar stehe er dann mit seinen Zweifeln oft alleine, doch «das hat mir schon sehr oft geholfen». Seinen eigenen Weg zu gehen, war Vontobels Devise; auch beim Vorausahnen von Finanzkrisen. So pflegte er zu sagen: «Alle Mäuse gehen durchs gleiche Loch, wir nicht.»

Mühe mit hohen Managergehältern

Doch auch seine Bank machte Fehler. Gerade in den letzten Jahren dürften dem alten Patron Vontobel nicht alle Entwicklungen gefallen haben. Zum Beispiel verstand er die hohen Saläre der Manager nicht. «Wir alle suchen doch unser Glück», sagte er. «Bin ich glücklicher, wenn ich eine Million oder zehn Millionen mehr oder weniger verdiene? Ich verstehe es nicht!»

Vontobels Sorge der letzten Jahre war, dass die Familie nicht mehr in der Bank vertreten war. Jahrelang kämpfte er deshalb um die Gunst einer seiner beiden Enkelinnen. Er gab nie auf und sagte jeweils, dass gewisse Dinge reifen müssten. Tatsächlich ging sein Wunsch kurz vor Weihnachten in Erfüllung: Die Enkelin stellt sich an der nächsten Generlaversammlung zur Wahl in den Verwaltungsrat.

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