Die Briten markieren schon rein akustisch Präsenz in Davos. Bei beissender Kälte steht ein Dudelsack-Pfeifer im grün-karierten Schottenrock an der Promenade. Er spielt für die Gäste eines grossen Finanzkonzerns aus Schottland. Dieser pflegt am WEF Kundenkontakte, wie viele andere Firmen aus dem Vereinigten Königreich auch.
Nur ein paar Schritte weiter, im Luxushotel Belvedere, hat der britische Handelsminister Liam Fox sein Quartier aufgeschlagen. Er tritt nicht öffentlich auf, sondern spricht – hinter verschlossenen Türen – mit Wirtschaftschefs und Politikern aus aller Welt.
Good News Richtung Heimat
Fox versucht, die Sorgen der WEF-Teilnehmer zu zerstreuen. Denn viele fürchten einen ungeordneten Brexit, also den Austritt aus der Europäischen Union ohne Einigung mit Brüssel, ohne Übergangslösung für die Wirtschaft.
Über Twitter verbreitet Handelsminister Fox derweil «Good News» in einem Video: Er habe sich in Davos mit seinem Amtskollegen aus Israel auf einen bilateralen Handelsvertrag geeinigt – für die Zeit nach dem Brexit. Israel sei ein wertvoller Handelspartner und werde künftig noch wichtiger werden.
Auch mit anderen Nicht-EU-Staaten strebt das Vereinigte Königreich neue Abkommen an. Das ist nötig, weil die Briten nach der Scheidung von Brüssel nicht mehr von den existierenden Abkommen der EU mit dem Rest der Welt profitieren können.
Die EU bleibt der wichtigste Handelspartner
Ziel solcher Abkommen ist, die wirtschaftliche Abhängigkeit Grossbritanniens von Europa zu reduzieren. Denn derzeit geht mit einem Anteil von 45 Prozent noch fast die Hälfte aller Exporte der Insel in die EU. Die Wirtschaftsbeziehungen mit anderen Weltregionen gewinnen zwar an Bedeutung.
Doch dürfe man sich keine Illusionen machen, warnt die Ökonomin Keyu Jin von der London School of Economics im Pausengespräch am WEF: «Europa wird weiterhin der wichtigste Handelspartner der Briten bleiben, allein schon wegen der geografischen Nähe.»
Ein Sturz ins Ungewisse?
Derzeit halte sich das Ausland aus Furcht vor den Risiken eines chaotischen Brexit generell zurück mit Handel und Investitionen. Tatsächlich gibt es täglich neue Negativschlagzeilen. So hat gestern der europäische Luftfahrt- und Rüstungskonzern Airbus damit gedroht, Fabriken zu schliessen in Grossbritannien, sollte es zu einem ungeregelten Austritt aus der EU kommen.
«Die Risiken für internationale Industriekonzerne sind beträchtlich», sagt Professor Julian Birkinshaw von der London Business School. Die Autohersteller zum Beispiel seien auf offene Grenzen ohne Zollschranken angewiesen.
Die Hoffnung stirbt zuletzt
Für die Produktion würden Autoteile mehrmals hin- und hertransportiert zwischen der Insel und dem Kontinent, so Birkinshaw. Ein No-Deal-Brexit könne diese komplexen Lieferketten mit einem Schlag zerstören und die Produktion lahmlegen.
Noch ist es nicht soweit. Die Wirtschaft darf immer noch hoffen, dass sich die britische Politik auf einen Scheidungsvertrag mit Brüssel einigen kann. Aber die Zeit wird knapp bis zum geplanten Austrittstermin am 29. März. Und das besorgt die WEF-Teilnehmer in Davos, und zwar erheblich.
Dagegen nützen auch fröhliche Dudelsack-Klänge nichts.