US-Präsident Joe Biden zieht erstmals einen von der Zentralbank getragenen Krypto-Dollar in Erwägung. Er unterzeichnete einen entsprechenden Präsidialerlass. Vor dem Hintergrund allfälliger russischer Sanktions-Umgehungsversuchen will die US-Regierung eine grössere Kontrolle der digitalen Vermögenswerte. Jerome Powell, Chef der US-Zentralbank sagt, privat initiierte Kryptowährungen brauche es nicht mehr, wenn es eine amerikanische digitale Währung gebe. Kommt jetzt das Ende von Bitcoin & Co.?
Fabian Schär, Professor für Blockchain-Technologie der Universität Basel, relativiert. Mit diesem Schritt wolle sich die USA in erster Linie konzentriertert auf eine digitale Finanzwelt ausrichten. Bitcoin und Co. werde es nach wie vor geben.
SRF News: Die USA prüfen, ob sie eine eigene Kryptowährung ins Leben rufen sollen. Was würde ein solcher Schritt für die Krypto-Welt bedeuten?
Fabian Schär: Man muss unterscheiden: Bei der im Bericht angesprochenen digitalen Zentralbankenwährungen (Central Bank Digital Currency, kurz CBDC) geht es nicht um eine Kryptowährung. Digitale Zentralbankenwährungen sind ganz anders ausgestaltet und letztlich stark zentralisiert. Hinzu kommt, dass bei den meisten Krypto-basierten Anlagen nicht der Zahlungsmittelaspekt im Vordergrund steht. Ich glaube insofern nicht, dass diese CBDC und Kryptowährungen in Konkurrenz stehen, da sie einen anderen Zweck erfüllen und andere Charakteristika aufweisen.
Zu Bitcoin und Ether und Co. wäre der digitale Dollar eher ein Komplement als ein Substitut. Der digitale Dollar könnte aber gewisse Verdrängungseffekte auf sogenannte «Stablecoins» haben, also auf privat ausgegebene Kryptowährungen, die an den Dollar gekoppelt sind. Denkbar wäre auch, dass eine CBDC dem ganzen Markt eine gewisse Kredibilität verleihen und zu einer weiteren Institutionalisierung führen könnte.
Wie reagiert die Krypto-Community darauf?
Unterschiedlich. Es gibt stark auseinanderklaffende Ideologien. Auf der einen Seite die libertär geprägten Ursprungswerte und Vorstellungen. Diese Personen sind oft starke Kritiker des traditionellen Finanzsystems und sehen Bitcoin als Alternative. In den letzten Jahren ist die Institutionalisierung aber sehr stark vorangeschritten. Es sind mittlerweile auch viele Personen in diesem Bereich tätig, die eine klassische Bankenvergangenheit haben und die Integration von Krypto-Anlagen ist bei verschiedenen Finanzintermediären in vollem Gange. Diese Entwicklung gefällt sicherlich nicht allen, sie ist aber auch Zeuge des Erfolgs der Technologie und letztlich wohl ein normaler Prozess
Man möchte «neue Sicherheitsstandards im internationalen Rahmen» entwerfen. Was heisst das?
Es geht nicht nur um die internationale Zusammenarbeit, sondern auch um die nationale. In den USA sind sehr viele unterschiedliche Behörden aktiv und die Zuständigkeiten sind nicht immer klar geregelt. Dabei ist es in der Vergangenheit auch schon zu Widersprüchen gekommen. Die «Executive-Order» entspricht einem klaren Auftrag an die verschiedenen Behörden sich mit dem Thema auseinanderzusetzen und zu koordinieren. Dementsprechend ist davon auszugehen, dass ein klareres Bild entstehen wird. Das würde unter anderem auch bedeuten, dass die USA in internationalen Gremien geschlossener Auftreten und ihren Vorstellungen und nationalen Interessen mehr Nachdruck verleihen könnte.
Generell wollen die USA Kryptowährungen in ihr Finanzsystem integrieren. Wie soll das gehen?
Der amerikanische Finanzplatz soll sich gezielter auf die digitalen Währungen ausrichten. Man möchte die eigenen Finanzinstitute daran anknüpfen, Rechtssicherheit und Infrastruktur schaffen. Es ist ein klares Zeichen, dass die Chancen erkannt wurden, gleichzeitig wird in der «Executive Order» aber auch zu einer Analyse der Gefahren aufgerufen. Kurz: Man will sich auf ein Szenario ausrichten, in welchem Krypto-Anlagen grundsätzlich einen höheren Stellenwert einnehmen und fest in das Finanzsystem integriert sind.
Manche Kryptowährungen haben positiv auf die Ankündigung von US-Präsident Biden reagiert.
Ich bin immer sehr vorsichtig, kurzfristige Kursbewegungen einem konkreten Ereignis zuzuordnen. Korrelation impliziert nicht zwingend Kausalität, wie wir Ökonomen zu sagen pflegen. Hinzu kommt: Für Personen, die sich sehr eng mit dieser Thematik befassen, war weder die Tatsache, dass die «Executive Order» kommen wird, noch der Inhalt eine wirkliche Überraschung.
Das Gespräch führte Pascal Schumacher.