Das Timing ist pikant: Kurz, bevor im Nationalrat über die Zukunft von SBB Cargo debattiert wird, schaffen die SBB Fakten. «Sowohl der geplante Abbau wie auch das Vorgehen der SBB sind inakzeptabel», sagt Philipp Hadorn, Zentralsekretär der Gewerkschaft des Verkehrspersonals SEV, der für die SP in der nationalrätlichen Verkehrskommission sitzt.
Die alte Garde schafft Fakten. Das ist stossend.
Ähnlich kritisch äussert sich Frank Furrer vom Verband der verladenden Industrie: «Die alte Garde schafft Fakten. Das ist stossend.» Und das, bevor sie möglicherweise einen Teil ihrer Macht abgeben muss.
Auslöser für die Kritik ist der Plan der SBB, ihre Güterverkehrstochter mit einer Radikalkur zu sanieren. Ein Drittel der Stellen, das sind rund 760, sollen innerhalb der nächsten fünf Jahre wegfallen. Das hat SBB-Cargo-Chef Daniel Perrin in einem Interview mit der «Schweiz am Wochenende» angekündigt.
Wieder einmal ein Kahlschlag. In den vergangenen Jahren hatte die SBB-Spitze ihre Angestellten bereits wiederholt mit Stellenabbau und Restrukturierungen erzürnt. Zu dauerhaftem Erfolg hat bisher keine dieser Massnahmen geführt.
In der Vergangenheit hat SBB Cargo nahezu ausnahmslos Verluste einfahren (siehe Grafik). Auch der Blick auf 2017 gibt keinen Anlass, an Besserung zu glauben: Es stehen bereits wieder minus 25 Millionen Franken in den Büchern – allein für das erste Halbjahr. Die Jahreszahlen kommuniziert der Mutterkonzern SBB am 20. März.
Dem Parlament nicht vorgreifen
Walter von Andrian, Chefredaktor der Eisenbahn-Revue und einer der besten Kenner der Schweizer Eisenbahnlandschaft, kritisiert die steten Sanierungen, denen der SBB-Konzern seine Cargo-Tochter unterwirft: «Man organisiert immer ein bisschen um, stört damit den Betrieb wieder und bringt die langfristige gesunde Entwicklung durcheinander.»
Bevor die SBB ein neues Sparprogramm durchzieht, solle nun das umgesetzt und gelebt werden, was der Bundesrat dem Parlament vorschlage, darin sind sich die verladende Industrie und die Gewerkschaften einig. Die zentralen Punkte sind:
- «Der Verwaltungsrat von SBB Cargo (…) ist durch externe Dritte zu ergänzen, und das Präsidium ist durch einen Dritten zu besetzen.»
- «Partner und Grosskunden von SBB Cargo AG sind langfristig einzubinden.»
Grosse Detailhändler und Konkurrenzunternehmen im Transportbereich sollen ihr Wissen und ihr Netzwerk einbringen und SBB Cargo zu mehr Effizienz und neuen Aufträgen führen.
Die Industrie ist grundsätzlich bereit, sich einzubringen, aber unter Bedingungen. «Können Unternehmen, die sich mit finanziellen Mitteln engagieren, auch wirklich mitbestimmen?», fragt Frank Furrer.
Er ist Präsident des Verbands der verladenden Wirtschaft und vertritt rund 300 Unternehmen der verladenden Wirtschaft und Logistik der Schweiz.» Wenn sie nicht entscheiden können, weil sie überspielt werden von der SBB, dann ist natürlich niemand wirklich interessiert. Das sind erhebliche Risiken für die investierten Beteiligungsmittel.»
Die SBB sollen gemäss Bundesrat weiterhin die Mehrheit am Unternehmen SBB Cargo und im Verwaltungsrat behalten. Heute besteht der SBB-Cargo-Verwaltungsrat aus SBB-CEO Andreas Meyer als Präsident sowie aus SBB-Finanzchef Christoph Hammer und SBB-Cargo-Chef Nicolas Perrin.
SBB will Macht über SBB Cargo behalten
Die SBB-Führung macht keinen Hehl daraus, dass sie die Idee, das Präsidium abzugeben, wie das der Bundesrat vorschlägt, für falsch hält. Im bundesrätlichen Bericht werden die SBB so zitiert: «Die fixe Vorgabe eines externen Verwaltungsratspräsidiums in den strategischen Zielen schränkt die Flexibilität für gute Lösungen ein. Die SBB hält dies deshalb für verfrüht.»
Frank Furrer droht bereits heute damit, dass ein fehlendes gelebtes Mitspracherecht Konsequenzen haben wird: «Dann kommt es irgendwann zu prominenten Abgängen aus dem Verwaltungsrat unter Protest. Wir zeigen damit, es ist also doch nur alles ein abgekartetes Spiel gewesen, wir sind da reine Marionetten.» Der Vorschlag des Bundesrates könnte zur Alibi-Übung verkommen.
Das Vorpreschen der SBB im Vorfeld der Parlamentsdebatte lässt Geschäfts- und Sozialpartner argwöhnen, dass der Konzern nicht gewillt ist, allzu stark auf die Partner zu hören. Die SBB wollen sich derzeit nicht weiter zu ihrem Vorgehen äussern. Sie verweisen auf einen geplanten Kommunikationstermin am kommenden Donnerstag – im Anschluss an eine Verwaltungsratssitzung.