Die Zahlen des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) zeigen: Die Arbeitslosenquote von 2.5 Prozentpunkten ist zwar weiterhin tief, nimmt aber im Vergleich zum Vorjahr leicht zu. Der Arbeitsmarkt erholt sich langsam vom gesamtwirtschaftlichen Fachkräftemangel und normalisiert sich.
Eine Normalisierung deshalb, weil das Verhältnis zwischen Entlassungen und Neueinstellungen wieder dynamischer wird. Dies zeigt eine Studie des Personalvermittlers von Rundstedt. Davon betroffen sind vor allem über 50-Jährige, deren Chancen auf dem Arbeitsmarkt dadurch wieder sinken.
Sabine Röhr weiss, wie sich das anfühlt. Die bald 60-Jährige sucht seit mehr als einem Jahr einen neuen Job. Sie ist Beraterin sowie Projektmanagerin und wurde nach einer Kündigung 2018 selbstständig.
Zu alt, zu überqualifiziert
Durch die Corona-Krise lief dieses Geschäft jedoch nicht wie gewünscht, die Aufträge standen still. Nun sehnt sie sich danach, wieder in einem Team für ein Unternehmen zu arbeiten und so ihre Potenziale zu nutzen.
Ich habe mich auf ganz verschiedene Stellen beworben, teilweise auch mit massiven Lohneinbussen, und bin trotzdem abgelehnt worden.
Doch egal, ob in der Beratung, als Fahrerin, als Rezeptionistin oder im Verkauf: Überall erhielt sie auf ihre Bewerbungen eine Absage, mit der Begründung, sie sei zu alt oder zu überqualifiziert. «Ich habe mich auf ganz verschiedene Stellen beworben, teilweise auch mit massiven Lohneinbussen, und bin trotzdem abgelehnt worden», sagt sie.
Lohneinbussen bei einem neuen Job sind für über 50-Jährige laut Studie keine Seltenheit. Über 50-Jährige verdienen durchschnittlich acht Prozent weniger bei einer Neueinstellung als unter 30-Jährige, die im Schnitt einen 13 Prozent höheren Lohn erhalten. Auch bei der Suchdauer gibt es starke Unterschiede:
Über 50-Jährige suchen mit 6.6 Monaten mehr als doppelt so lange nach einem neuen Job als unter 30-Jährige. Dies sind Durchschnittswerte. Wie das Beispiel von Sabine Röhr zeigt, kann es auch länger dauern.
Arbeitsmarkt wird sich noch weiter normalisieren
Der Studienautor und Geschäftsführer Pascal Scheiwiller erwartet, dass diese Entwicklungen noch weiter gehen werden. Es könne also noch zu einer weiteren Polarisierung zwischen Jung und Alt kommen.
Es sei jedoch Teil eines gesunden Arbeitsmarkts, dass laufend gekündigt und neu eingestellt werde. Nur so könne sich ein Unternehmen den Marktentwicklungen anpassen.
Es wird vor allem in den nächsten sechs Monaten noch vermehrt zu Abbauprojekten, Korrekturprojekten und Restrukturierungen kommen.
Dass es zurzeit so viele Massenentlassungen gibt, hänge damit zusammen, dass man die Überkapazitäten aus der Corona-Krise abbauen wolle. «Es wird vor allem in den nächsten Monaten noch vermehrt zu Abbauprojekten, Korrekturprojekten und Restrukturierungen kommen», sagt Pascal Scheiwiller.
Mehr Wertschätzung gegenüber älteren Arbeitskräften
Sabine Röhr ist sich dessen bewusst, lässt sich davon aber nicht unterkriegen. Aufgeben sei für sie keine Option, aber von Hoffnung könne man sich auch nichts kaufen, sagt sie. Es brauche beide Seiten, damit es für einen neuen Job klappe.
Es braucht mehr Wertschätzung für die Menschen, die seit über 30 oder 40 Jahren das Land in diese Verfassung gebracht haben.
Sie ist überzeugt, dass es sowohl junge als auch ältere Menschen in einem Unternehmen braucht, damit beide voneinander lernen könnten. «Es braucht mehr Wertschätzung für die Menschen, die seit über 30 oder 40 Jahren das Land in diese Verfassung gebracht haben», sagt sie.
Unser Arbeitsmarkt wird also wieder dynamischer. Das heisst zwar, dass es mehr Kündigungen geben wird, doch gleichzeitig auch, dass sich dadurch für Personen wie Sabine Röhr neue Chancen ergeben könnten.