«Ich finde es langweilig, ja, es wäre sogar Folter, wenn ich jeden Tag am Strand liegen müsste.» Das sagte Elon Musk im Jahr 2007 gegenüber dem amerikanischen Fernsehsender PBS und ergänzte: «Was ich mache, muss einen Nutzen für die Welt haben.»
Tesla, sein damals neuestes Projekt, sollte nicht einfach eine weitere Automarke sein, sondern mithelfen, den Klimawandel zu stoppen – so die Vision des bereits erfolgreichen Jungunternehmers. Allerdings war Tesla zu diesem Zeitpunkt nicht viel mehr als eine Idee. Zwar existierten erste Prototypen eines Elektroautos, aber von einer Serienproduktion war die Firma weit entfernt.
Der Fantast wird zum Pionier
Bei den gestandenen Autokonzernen in den USA und Europa wurde Elon Musk jahrelang für sein Elektroauto belächelt. Als Fantast oder gar als Spinner wurde er bezeichnet.
Inzwischen produziert Tesla über 500'000 Autos pro Jahr. Tendenz: steigend. Gemessen an den Stückzahlen ist die Firma zwar weltweit immer noch ein Nischenanbieter. Gleichzeitig hat sich aber das Bild von Tesla und seinem Eigentümer gewandelt: Tesla ist heute ein Pionier, der die ganze Autobranche aufgeschreckt hat. Auch den grössten Autokonzern der Welt – Volkswagen. VW-Chef Herbert Diess gestand 2019 öffentlich ein: «Elon Musk ist ein Innovator, der uns vorwärts treibt.»
Der Weg dorthin war steinig. Mehrfach stand Tesla vor dem Aus, zuletzt, als die Firma mit dem «Model 3» den Massenmarkt beliefern wollte. Monatelange kam die Produktion nicht richtig in Gang. 2018, mitten in dieser Krise, schilderte ein komplett übermüdeter Elon Musk der US-Nachrichtenwebsite Axios den Zustand seiner Firma: «Tesla droht der Tod wegen der Produktion des Models 3. Wir verlieren momentan unheimlich viel Geld, und wenn wir die Probleme nicht innerhalb weniger Wochen lösen können, werden wir sterben.»
Elon Musk übernachtete – wie so oft, wenn es an allen Ecken und Enden brennt – direkt in der Fabrik. Er und seine Angestellten leisteten Nachtschichten, um die Produktion hochzufahren. Nur dank eines riesigen Efforts gelang es Tesla einmal mehr, den Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Damit brachte Musk auch seine Kritiker etwas zum Verstummen.
Ein Leben auf der Überholspur
Eigentlich führe Musk einen Kampf, sagt Ashlee Vance. Der Bloomberg-Journalist aus Kalifornien hat eine Biografie über den Unternehmer geschrieben: «Elon Musk ist unerbittlich. Er hört nicht auf, bis er hat, was er will.» Sein Ziel sei letztlich, der Welt zu zeigen, was er drauf habe: «Lange galt er als ein intelligenter, aber sozial etwas unbeholfener Typ. Und jetzt will er der ganzen Welt beweisen, dass er aussergewöhnlich ist.»
In der Tat verfügt Musk über sehr gute Programmierkenntnisse und hat ein ausgesprochenes Verständnis für Technik und komplexe Zusammenhänge. Zudem hat er ein fotografisches Gedächtnis und ist belesen. Diese Fähigkeiten ermöglichen ihm tatsächlich ein Leben auf der Überholspur.
Mit seinem Tempo und seiner unnachgiebigen Art können längst nicht alle Menschen in seiner Umgebung umgehen: Ehemalige Angestellte und Geschäftspartner beurteilen sein Wirken durchaus auch kritisch. «Es gibt unzählige Geschichten darüber, wie schwierig er als Chef ist», sagt Ashlee Vance. Er hat über 200 Gespräche mit Weggefährten von Elon Musk geführt. Für die Biografie hat ihm der Unternehmer über 30 Stunden Interviews gewährt. Allerdings nur widerwillig.
Der bald 50-jährige Musk gibt Medien nur selten Auskunft und auch nur dann, wenn er über seine Projekte und neuen Pläne sprechen kann. Kritischen Fragen geht er aus dem Weg.
Das zeigt sich exemplarisch an der neuen Tesla-Fabrik, die aktuell bei Berlin gebaut wird und die für die Autoproduktion riesige Mengen an Wasser benötigt. Begründeten Bedenken wegen einer Wasserknappheit in der Region weicht Musk aus. Einer ZDF-Journalistin, die ihn auf die Wasserproblematik ansprach, antwortete er salopp: «Grundsätzlich ist das keine trockene Region, ansonsten würden hier kaum Bäume wachsen.»
Kritik wischt er vom Tisch. Er schafft Fakten. Seit Februar 2020 wird die neue Fabrik hochgezogen, obwohl bisher nur provisorische Baugenehmigungen vorliegen. Das Tempo ist irrwitzig hoch – es kann nicht schnell genug gehen. Schliesslich soll noch in diesem Jahr die Produktion der ersten Fahrzeuge anlaufen. Die politische Unterstützung ist Tesla gewiss. Schliesslich können sich viele Politiker aus der Region im Glanz der Fabrik sonnen.
Der General
In Berlin wie anderswo sind die Meinungen gemacht: Entweder findet man das Projekt gut oder nicht. Und so verhalte es sich auch mit der Person Elon Musk, erklärt Biograf Ashlee Vance: «Elon Musk ist so etwas wie eine religiöse Figur geworden. Entweder man liebt ihn oder man hasst ihn. Und jene, die ihn verehren, vermag er zu kommandieren.»
Elon Musk ist so etwas wie eine religiöse Figur geworden.
Sein wichtigstes Instrument dazu ist Twitter. Über 50 Millionen Menschen rund um den Globus folgen ihm. «Er nutzt Twitter ganz gezielt, um den Mythos rund um seine Person aufzubauen. Gleichzeitig provoziert er mit seinen Tweets bewusst und sucht die Auseinandersetzung mit der Öffentlichkeit», beobachtet Ashlee Vance und ergänzt: «Er liebt dieses Leben als öffentliche Figur.»
Obwohl Musk als Multimilliardär längst sorglos am Strand liegen könnte, taucht er immer wieder ab und zieht sich dorthin zurück, wo er am liebsten ist: in die Fabrik. Wie ein General, der mitten im Kampfgetümmel an vorderster Front seine Soldaten antreibt.