Die Interview-Anfrage wurde in Windeseile beantwortet: «Wir freuen uns, Ihnen ein Interview mit Socar-Präsident Rovnag Abdullayev am Rande des World Economic Forum in Davos zu gewähren». In den Bündner Bergen gestaltete sich die Fixierung des definitiven Interviewtermins jedoch komplexer als erwartet: Die Entourage des Präsidenten des aserbaidschanischen Öl- und Gaskonzerns verschob den Termin wiederholt – ehe nur noch ein Gespräch mit seinem Vizepräsidenten Elshad Nassirov möglich war. Am späten Dienstagabend wurden die Medienschaffenden dann zum Gespräch geladen – ins Intercontinental Hotel.
Nach absolvierten Spiessrutenlauf am Sicherheitscheckpoint des Nobelhotels mit Metalldetektor wurde deutlich, weshalb der Socar-Präsident für das Gespräch keine Zeit fand: Im Untergeschoss des Hotels hatte die aserbaidschanische Delegation zum Apéro geladen, um für die Expo 2025 in Baku zu werben.
Im SRF-Interview nahm dann Elshad Nassirov ausführlich zu den Korruptionsvorwürfen gegen sein Unternehmen und Aserbaidschan, die Schwierigkeiten beim Bau der umstrittenen Gaspipeline TAP und zum Schweiz-Geschäft Stellung. Dabei war der Manager bemüht, ein positives Bild seines Unternehmens und Heimatlandes zu zeichnen. Die Charmeoffensive steht stellvertretend für die Strategie des Unternehmens und sollte uns das ganze Interview begleiten. Eine Zusammenfassung:
Socar und die Schweiz-Expansion: 2012 trat Socar in den Schweizer Tankstellenmarkt ein und übernahm damals von Esso 162 Standorte. Seither wächst das Unternehmen. «Wir verfügen in der Schweiz neu über 170 Tankstellen». Darüber hinaus bestätigt Nassirov Pläne, in den kommenden Monaten neue Tankstellen in der Schweiz zu eröffnen. Einzelheiten verrät der Aserbaidschaner nicht. Die Umsatz- und Gewinnzahlen von Socar will Nassirov ebenfalls nicht preisgeben.
Socar und die Imagekampagne: Neben dem Ausbau des Schweizer Geschäfts verfolgt der staatsnahe aserbaidschanische Energiekonzern in Europa eine beispiellose Charmeoffensive – in Form von Sponsoringaktivitäten im europäischen Spitzenfussball. So gehörte Socar an der Fussball-Europameisterschaft 2016 in Frankreich zu den Hauptsponsoren des Europäischen Fussballverbandes Uefa. Dem «Handelsblatt» zufolge, soll sich Socar diesen vierjährigen Sponsoringvertrag gegen 80 Millionen Euro kosten lassen.
Wir verfügen in der Schweiz neu über 170 Tankstellen.
Elshad Nassirov will diese Zahlen nicht kommentieren. Er erklärte lediglich, dass ihm die Reputation des Konzerns wichtig sei. «Als wir in den Schweizer Markt eingetreten sind, waren wir in Europa noch relativ unbekannt. Deshalb haben wir gespürt, dass uns dieses Sponsoringprogramm einen Mehrwert bringen und unsere Bekanntheit steigern wird. »
Die Kooperation mit der Uefa lässt sich auf eine Freundschaft zwischen dem einstigen Uefa-Präsidenten Michel Platini und dem aserbaidschanischen Staatsoberhaupt Ilham Aliyev zurückführen. In Baku wurde Platini mit einem Ruhmesorden für seine «Verdienste» zur Entwicklung des aserbaidschanischen Fussballs geehrt. Mittlerweile wurde der 62-jährige Franzose wegen Korruption für acht Jahre von Fussballaktivitäten gesperrt.
Socar und die Korruption: Der Socar-Vizepräsident bestreitet im SRF-Interview, das Energieunternehmen versuche mittels Fussballsponsoring die aufgedeckten Korruptionsfälle innerhalb des Konzerns und in Aserbaidschan zu übertünchen. «Ich kann Fälle von Korruption nicht abstreiten. Alle früheren Sowjetrepubliken sind korrupt – zumindest bis zu einem gewissen Grad.» Bei der Auftragsvergabe an den Schweizer Logistiker Panalpina flossen beispielsweise zwischen 2002 und 2007 rund 900'000 Dollar an Schmiergelder an Socar- und Staatsvertreter.
Ich kann Fälle von Korruption nicht abstreiten. Alle früheren Sowjetrepubliken sind korrupt – zumindest bis zu einem gewissen Grad.
Zudem berichtete das «WDR» und die «Süddeutsche Zeitung», die Frankfurter CDU habe 2012 rechtswidrige Spenden aus Aserbaidschan in Höhe von 28'000 Euro angenommen. Vergangenen Herbst stellte die Bundestagsverwaltung einen Verstoss gegen das Parteiengesetz fest. Des Weiteren belegt das Land am Kaspischen Meer im Korruptionswahrnehmungsindex 2016 Rang 123.
Nassirov weiss um diese Herausforderungen, weist jedoch auf die ergriffenen Massnahmen im Kampf gegen die Korruption hin – wie das staatliche Dienstleistungsprogramm Asan-Projekt. Diese Initiative soll Bürokratie reduzieren, Transparenz erhöhen und die Geschäftstätigkeit erleichtern.
Socar und die Nähe zur aserbaidschanischen Regierung: Das Energieunternehmen gilt als aserbaidschanischer Staatsbetrieb und Socar-Präsident Abdullayev darf sich Rechtsberater der amtierenden Regierung nennen. Aserbaidschans Präsident Aliyev selbst wird ein autoritärer Führungsstil vorgeworfen. So beklagen Amnesty International und andere Nichtregierungsorganisationen seit Jahren die Unterdrückung der Opposition, die erhebliche Anzahl politischer Gefangener und die Gängelung der Medien.
In unserem Land existiert keine Internetzensur und die Anzahl der Print-Medien in Asarbaidschan ist deutlich höher als diejenige in der Schweiz.
Des Weiteren berichtete die OSZE, die letzte Präsidentschaftswahl im Jahre 2013 sei «untergraben von Einschränkungen des Rechts auf freie Meinungsäusserung, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit» gewesen – und vor zwei Jahren liess Aserbaidschan über eine Verfassungsänderung abstimmen. Diese sah eine Verlängerung der Amtszeit des Präsidenten von fünf auf sieben Jahre vor. Socar-Vizepräsident Nassirov sagt dazu: «In unserem Land existiert keine Internetzensur und die Anzahl der Printmedien in Aserbaidschan ist deutlich höher als diejenige in der Schweiz».
Socar und die TAP-Pipeline: Mitte 2016 wurde mit dem Bau der «Adriatic Pipeline» (TAP) von Aserbaidschan nach Griechenland und Italien begonnen. Die Projektgesellschaft liess sich in Baar, im Kanton Zug, nieder. Während die Beteiligung des Schweizer Energiekonzerns Axpo fünf Prozent beträgt, beteiligte sich Socar mit 20 Prozent.
Die Pipeline soll 870 Kilometer lang sein, gegen 4,5 Milliarden Euro kosten und ab 2020 aserbaidschanisches Erdgas durch Griechenland und Albanien bis nach Italien leiten.
Die Trans-Adria-Pipeline wurde gebaut, um günstiges Gas ins Ausland zu verkaufen.
Allerdings ist der Bau der Pipeline in Apulien umstritten. Die Sorge vor Umwelt- und Naturschäden steigt. Elshad Nassirov kann diese Kritik nicht nachvollziehen. Die Pipeline werde nach neusten Umweltstandards gebaut. «Es wird kein Umweltproblem geben. Niemand wird die Pipeline sehen.» Damit nicht genug: «Die Trans-Adria-Pipeline wurde gebaut, um günstiges Gas ins Ausland zu verkaufen und den Wettbewerb zwischen den Energieunternehmen zu steigern.»
Tatsächlich soll mit dem aserbaidschanischen Gas die Abhängigkeit vom russischen Gas sinken und die Dominanz der «Nordstream»-Pipeline gebrochen werden.