Eigentlich liegt der Entwurf des Schweizer Gasversorgungsgesetzes auf dem Tisch. Alle, die wollten, haben Stellung genommen. Die Vernehmlassung ist seit zweieinhalb Jahren beendet.
Warum seither diesbezüglich nichts mehr passiert ist, weiss FDP-Ständerat Martin Schmid nicht. «Das müssen Sie nicht uns fragen», sagt Schmid in seiner Funktion als Präsident des Verbands der Gasindustrie.
Wir Linken waren der Meinung, dass es eher ein Gas-Ausstiegsgesetz brauche.
Die Branche habe das Gesetz gewollt. Aber die Politik habe sich zu wenig dafür interessiert. «Schon unter Energieministerin Doris Leuthard war das ein Thema. 2016 wurden die Schlussberichte gemacht. Die Branche hat immer darauf aufmerksam gemacht, dass sie für die Rechtssicherheit so ein Gesetz brauchen würde», so Schmid.
Linke wollten lieber aussteigen
Daran erinnere er sich aber ganz anders, sagt SP-Nationalrat Roger Nordmann. Zusammen mit seiner Partei sei es die Gas-Branche gewesen, die dieses Gesetz nicht wollte.
Allerdings aus anderen Gründen: «Wir Linken waren der Meinung, dass es eher ein Gas-Ausstiegsgesetz brauche und dass die Liberalisierung eines Energieträgers, den wir weniger brauchen wollen, nichts bringe. Andererseits wollte die Gaswirtschaft keine Regulation.»
Aber viel wichtiger sei, so Nordmann, dass dieses Gasversorgungsgesetz sowieso nicht geholfen hätte, die jetzige Krise zu bewältigen, im Gegenteil. «Es hätte bewirkt, dass der Bundesrat der Gaswirtschaft nicht hätte erlauben können, das Gas gemeinsam anzuschaffen.»
Im Gesetz wären klare kartellrechtliche Regeln festgehalten gewesen, die der Branche jegliche gemeinsame Beschaffung verboten hätte. Da sei man jetzt flexibler, sagt Nordmann.
Tatsächlich hat der Bundesrat schon im März entschieden, dass die Gas-Branche einfacher gemeinsam Gas beschaffen dürfe, ohne kartellrechtliche Konsequenzen. Gas-Präsident Martin Schmid bestätigt dies.
Die Weko hat lange kein grünes Licht gegeben, und das hat dazu geführt, dass die Beschaffung verzögert wurde.
Nur habe dieser Entscheid der Branche damals wenig gebracht, weil das grüne Licht der Wettbewerbskommission fehlte. Die Weko ist die Wächterin des Kartellrechts. «Die Weko hat lange kein grünes Licht gegeben, und das hat dazu geführt, dass die Beschaffung verzögert wurde.»
Schmid spricht von möglicherweise Hunderten Millionen von Franken Mehrkosten, weil das Gas heute viel teurer ist. Er sagt: Das alles wäre mit einem Gasversorgungsgesetz nicht passiert, so Schmid: «Wir hätten einen Marktgebietsverantwortlichen gehabt, wie in Deutschland. Das ist der Regulator. Er entscheidet selbst, ob beschafft wird.»
Der Marktgebietsverantwortliche wäre unabhängig und kein Mitglied der Gas-Branche. Er – oder sie – hätte im Auftrag des Bundes Gas einkaufen können, ohne das jetzige Hickhack zwischen Branche und Bund.
Niemand ist verantwortlich für das Ganze.
Theoretisch klinge das gut, sagt Nordmann dazu. Nur funktioniere es in der Krise dann doch nicht. Er bringt das Beispiel Stromgesetz. «Im Strombereich gibt es dieses Konzept und am Ende sagt man, ‹es ist der Markt›. Niemand ist verantwortlich für das Ganze.»
Ob das Gasversorgungsgesetz geholfen oder die Sache nur komplizierter gemacht hätte, darin sind sich Politik und Branche uneins.
Klar ist: Ohne Gesetz steht nun die Branche stärker in der Pflicht. Klar ist auch, dass das Gasversorgungsgesetz nach diesem Winter in einer neu überarbeiteten Variante, krisenresistenter sozusagen, wieder aufs politische Parkett kommt.