Rund viermal mehr kostet ein Urin-Statustest in der Schweiz im Vergleich zu Deutschland. Ein Differenzial-Blutbild ist gar 65 Mal so teuer – 26 Franken statt 40 Rappen.
Das ist viel zu viel: Zu diesem Schluss ist der Krankenkassenverband Santésuisse bereits 2019 gekommen. Der Nationalrat nahm daraufhin eine Motion an, die zum Ziel hat, dies zu ändern. «Der Bundesrat wird beauftragt, die Preise der Laboranalysen zulasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung zu senken», heisst es im Vorstoss.
Keine regelmässige Prüfung der Tarife
Im Gegensatz zu den Medikamentenpreisen werden Laborpreise nicht regelmässig durch das Bundesamt für Gesundheit (BAG) überprüft. Das letzte Mal wurden die Tarife 2009 beurteilt.
2017 begann das BAG eine erneute Überprüfung der Analyseliste. Diese Prüfung müsse jetzt aber dringend beschleunigt werden, hiess es heute im Ständerat, der die Motion ebenfalls annahm.
Es sei höchste Zeit für eine Neubeurteilung der Tarife der Schweizer Labore, sagt Verena Nold, Präsidentin von Santésuisse: «Wir sehen dort ein Einsparpotenzial von hunderten Millionen Franken, das direkt den Prämienzahlenden zugutekäme. Dieses Potenzial muss realisiert werden.»
Höheres Preisniveau als Hauptgrund?
Bei der Schätzung dieses Einsparpotenzials seien die Labore nicht einbezogen worden, sagt Willi Conrad, Vorstandsmitglied Medizinische Laboratorien Schweiz. Er bestreitet nicht, dass es gewisse Orte gibt, an denen man sparen könnte.
Aber: «Wir betrachten dieses Einsparpotenzial anders.» Er wolle vielmehr auf das Resultat der Überprüfung durch das BAG warten, bevor er konkrete Zahlen nenne. Diese beziehe denn auch die Schweizer Laboratorien direkt mit ein.
Wie aber können solch deutliche Preisunterschiede erklärt werden? Willi Conrad nennt einerseits die höheren Personalkosten, aber auch die höheren Mieten und allgemein das Preisniveau als Grund. Ausserdem: «In der Schweiz werden 45 Prozent der Analysen – viel mehr als im Ausland – bereits in der Arztpraxis gemacht.» Für diese Analysen sind die Tarife aber höher als in den grossen Labors.
Preisanpassung der PCR-Tests
Verena Nold von Santésuisse meint, auch in den grossen Labors seien die Preise zu hoch und nicht durch die höheren Kosten in der Schweiz erklärbar. Exemplarisch dafür stünden die Corona-PCR-Tests: Solche Tests kosteten heute halb so viel wie zu Beginn der Krise. «Das zeigt ja, dass eine Senkung der Preise durch den Bund keine Qualitätseinbussen nach sich zog», sagt Nold.
Das sei dem Effizienzgewinn geschuldet, den man während der Krise erlangt habe, entgegnet Conrad. Sollten die Tarife aber jetzt allzu stark gesenkt werden, gäbe es in der Tat Qualitätseinbussen. «Einige Analysen könnten dann nicht mehr jeden Tag durchgeführt werden, sondern vielleicht nur alle drei Tage. In meinen Augen ist das ein Qualitätsverlust», so Conrad.
So oder so – nach dem Nationalrat hat nun auch der Ständerat einer Senkung der Tarife zugestimmt. Auch Bundesrat Alain Berset empfahl die Annahme der entsprechenden Motion. Wie stark die Tarife effektiv gesenkt würden, könne man aber erst nach der Analyse durch das BAG abschätzen.