Wer in den USA oder Europa vor etwa zehn Jahren Strom aus einer Solaranlage bezogen hat, bezahlte pro Kilowattstunde umgerechnet gegen 40 Rappen. 2018 waren es im Schnitt noch rund 8 Rappen. Bei der Windenergie herrscht dasselbe Bild. Das zeigen Zahlen der internationalen Agentur für Erneuerbare Energien und Berechnungen des deutschen Fraunhofer-Instituts.
Die Installation von Solar- oder Windanlagen sei in den letzten Jahren deutlich günstiger geworden, sagt Rolf Wüstenhagen, Professor für Management erneuerbarer Energien an der Universität St. Gallen: «Bei vielen Technologien ist es so: Je mehr man produziert, desto billiger wird es.»
Das sei bei Handys nicht anders als bei Windturbinen. Anders verlaufe die Kostenkurve aber bei AKW. «Dadurch, dass es so grosse Kraftwerke sind, werden sie nie das Stadium der Massenproduktion erreichen.»
Bei einem neuen AKW müsse man von Kosten von bis zu 18 Rappen pro Kilowattstunde Strom ausgehen, rechnete Suzanne Thoma, Chefin der Bernischen Kraftwerke, unlängst in der Handelszeitung vor. Wüstenhagen bestätigt diese Rechnung. Es gebe zwar nur wenige belastbare Zahlen, weil so wenige AKW neu gebaut würden. Aber: US-Schätzungen bewegten sich in der gleichen Grössenordnung.
In der Schweiz sieht die Rechnung etwas anders aus. Das Kernkraftwerk Leibstadt etwa produziert seit 35 Jahren Atomstrom für die Schweizer Haushalte. Weil das Kraftwerk bereits abbezahlt sei, sei der Strom günstiger als jener von Solar- und Windkraftanlagen, sagt Sprecher Thomas Gerlach: «Die Produktionskosten liegen in den letzten 20 Jahren recht konstant bei 5 bis 5.5 Rappen pro Kilowattstunde. Mit Ausnahme von einigen Jahren mit längeren Stillständen.»
Das sind aber «normalisierte» Zahlen. Die wachsenden Kosten für die Sicherheit seien da zwar eingerechnet. «Wir haben aber relativ hohe Anlagen im Stilllegungs- und Entsorgungsfonds. Diese unterliegen den Wertschwankungen der Finanzmärkte.» Jährlich habe dies einen Einfluss von 1 bis 2 Rappen in die eine oder andere Richtung.
In der Schweiz hat man bei erneuerbaren Energien ungefähr die doppelten Kosten wie im Ausland.
In den letzten Jahren haben sie den Strom tendenziell verteuert. Auch weitere Faktoren dürften den Preis für Atomstrom beeinflussen: «Beispielsweise steht eine Änderung beim Stilllegungs- und Entsorgungsfonds an, der für uns höhere Kosten bedeuten würde», sagt Gerlach. Der Bundesrat will, dass Kraftwerk-Besitzer künftig mehr in diesen Fonds einzahlen.
Es sei sehr schwer, die künftigen Kosten für Atomstrom präzise zu schätzen, bestätigt Wüstenhagen. Die Finanzierungen reichten bis weit in die Zukunft, Zinssätze und Risiken abzuschätzen und mit einem Preisschild zu versehen, sei kaum möglich. Auch bei den Erneuerbaren sehe die Rechnung in der Schweiz anders aus als im benachbarten Europa.
AKW-Strom ade?
Hier würden keine gigantischen Windparks auf dem Land oder im Meer gebaut. Weniger Menge führe zu höheren Preisen: «In der Schweiz hat man etwa die doppelten Kosten. Man spricht von 10 bis 15 Rappen pro Kilowattstunde.» Mit der Umsetzung der Energiestrategie und dem Wachstum des Marktes seien aber unter 10 Rappen bis 2030 denkbar – so viel wie im benachbarten Ausland.
Unter dem Strich heisst das: Bestehende Kernkraftwerke können preislich mit Anlagen für erneuerbaren Strom derzeit noch mithalten. Vergleicht man aber die Kosten bei neuen Kraftwerken, dürfte Atomstrom – rein wirtschaftlich – gegenüber dem Strom aus Solar- oder Windanlagen kaum noch konkurrenzfähig sein.