Der Dow Jones hat an der New Yorker Börse seinen bislang schnellsten Anstieg um 10'000 Punkte verzeichnet und stieg damit erstmals über die symbolische Marke von 40'000 Punkten. Der US-Index der Standardwerte erreichte den Meilenstein rund eine halbe Stunde nach der Eröffnung. Börsenjournalist Jens Korte erklärt, was dem Dow Jones Rückenwind gab.
Wie lässt sich der Höhenflug des Dow Jones erklären?
Kurzfristig hat eine Kombination die Kurse getrieben. Zum einen gibt es keine Anzeichen, dass die US-Wirtschaft in diesem Jahr in eine Rezession abdriftet. Zeitgleich erwartet die Wall Street, dass auch die Notenbank in diesem Jahr mit Zinssenkungen anfängt. Das ist eine gute Kombination für die Börse. Zudem haben die US-Unternehmen gerade gute Geschäftszahlen für das erste Quartal gemeldet.
Aber die Kurse steigen ja schon seit längerer Zeit von einem Rekord zum nächsten. 2017 erreichte der Dow erstmals 20'000, nachdem Trump die Steuern massiv gesenkt hatte. Mit Ausbruch der Pandemie senkte die Notenbank die Zinsen, und die Regierung flutete die Wirtschaft mit Hilfspaketen. Das Geld floss zu grossen Teilen auch in die Börse.
Wie gut bildet der Index die US-Wirtschaft ab?
Das bessere Barometer ist der S&P 500 Index, weil er breiter angelegt ist. Der steht aber auch auf dem höchsten Stand der Geschichte. Der Dow Jones Industrial Average wird in regelmässigen Abständen angepasst. Da werden Aktien entfernt und andere aufgenommen. In gewisser Weise wird da also eine gewisse Kosmetik betrieben.
Viele Unternehmen wie etwa Apple, Boeing oder Nike sind global agierende Unternehmen. Insofern spiegelt die Performance im Dow nicht unbedingt 1 zu1 die Entwicklung der US-Wirtschaft wider. Oder nehmen wir die Zinsentwicklung. Es kann sein, dass die Wirtschaft nicht gut läuft, und die Notenbank deshalb die Zinsen senkt. Billigeres Geld wirkt sich häufig positiv auf Aktienkurse aus. In so einem Fall könnten also die Kurse steigen, obwohl es in der Wirtschaft gerade nicht so rund läuft.
Auch andere wichtige US-Indizes wie der Nasdaq Composite oder der S&P 500 legen seit Monatsbeginn deutlich zu. Weshalb?
Die berühmte Anleger-Taktik «Sell in May and go away» geht – zumindest bisher – nicht auf. In diesem Jahr könnten wir bisher sagen, dass wir das Gegenteil von «Sell in May» erleben. An fast jedem Handelstag im bisherigen Monatsverlauf ging es mit Blue Chips nach oben. Der Spruch reimt sich schön, aber in der Historie traf er häufig nicht zu. Zudem lief der April historisch betrachtet ungewohnt schwach. Da gab es wohl das Empfinden, etwas nachholen zu müssen.
Wann senkt die US-Notenbank den Leitzins?
Es ist erstaunlich, dass die Wall Street die Zinsentwicklung so kaltlässt. Zur Jahreswende hatten die meisten Marktteilnehmer mit fünf bis sieben Zinssenkungen in diesem Jahr gerechnet. Jetzt sieht es danach aus, dass es eventuell zwei Senkungen geben könnte. Und die ersten Zinssenkungen in den USA sind nicht wie erwartet ab März erfolgt. Die jüngsten Aussagen der US-Notenbanker deuten darauf hin, dass ein erster Schritt erst nach dem Sommer erfolgt. Das ist natürlich nicht in Stein gemeisselt.
Sollte es eine gewisse Überhitzung geben oder die Inflation noch hartnäckiger bleiben, dann könnte es womöglich gar keine Senkung in diesem Jahr geben. Sollte das der Fall sein, wäre die Börse auf dem hohen Niveau definitiv nicht auf dieses Szenario eingestellt, und die Kurse könnten massiv verlieren.