«Nein. Nein. Nein. Nein.» Christine Lagardes Antwort auf die Frage, ob der Höhepunkt der Zinsen erreicht sei, ist unmissverständlich.
Die Europäische Zentralbank (EZB), deren Chefin Christine Lagarde ist, erhöht den Leitzins um weitere 0.5 Prozentpunkte und wird es im März nochmals tun. Die US-Notenbank Fed hat die Zinsen gestern Mittwoch nicht nur auf den höchsten Stand seit Herbst 2007 erhöht, sondern ebenfalls weitere Schritte nach oben in Aussicht gestellt. Und dass auch die Schweizerische Nationalbank im März weiter an der Zinsschraube dreht, gilt als ausgemacht.
Weshalb die Massnahmen der Notenbanker zu spät kamen
Zwar sind die Inflationsraten zuletzt etwas gesunken – auf 2.8 (Schweiz), 6.5 (USA) und 8.5 (Eurozone) Prozent. Aber der Weg zum Ziel der Preisstabilität (2 Prozent Inflation) ist noch weit. Besonders in der Eurozone. Dort verharrt die Kerninflation, welche die schwankungsreichen Preise für Energie, Lebensmittel, Alkohol und Tabak ausklammert, auf Rekordniveau. Und: 8.5 Prozent Inflation können zig Millionen Menschen ziemlich weh tun: Ein Warenkorb, der heute 100 Euro kostet, kostet in einem Jahr 108.50 Euro. In fünf Jahren wären es – wenn die Inflation so hoch bliebe – 150 Euro.
Den Vorwurf, dass sie die Inflation lange unterschätzten und viel zu spät zu bekämpfen begannen, bringen die Notenbank-Chefinnen und -Chefs nicht mehr los. Ein Stück weit lässt sich ihr Verhalten wohl so erklären: Als die Inflation im Frühling 2021 auf zwei und mehr Prozent kletterte, hätte ihnen jede Zinserhöhung, die zu früh kommt, den Vorwurf eingebracht, die Wirtschaft abzuwürgen und – insbesondere im Falle Europas – den Staaten die Finanzierungskosten unnötig stark zu erhöhen.
Dagegen wiegt die heutige Kritik fürs Zuspätkommen weniger schwer. Zumal der befürchtete Wirtschaftseinbruch, den steigende Zinsen nach ökonomischem Lehrbuch mit sich bringen können, bislang ausbleibt.
Die «eindringliche» Warnung der Geschichte
Und um der Kritik zu begegnen, tun die Notenbanker das, was sie viel zu spät tun, wenigstens richtig. Fed-Chef Jerome Powell sprach am Mittwoch zwar erstmals von einem «disinflationären Prozess», machte aber zugleich deutlich, dass er nicht an ein Ende steigender Zinsen denke, sondern dafür «substanziell mehr Beweise» brauche, dass die Inflation sinke. Und: «Die Geschichte warnt eindringlich vor einer voreiligen Lockerung der Politik».
Auch Christine Lagarde erstickt jede Hoffnung, die Zeit der Zinserhöhungen könnte bald zu Ende sein, im Keim. Die Geldpolitik müsse so restriktiv sein, dass das Ziel der EZB nicht nur für ein paar Wochen oder Monate erreicht werde, «sondern dass wir dortbleiben».
Kurzum: Die Inflation ist entgegen anfänglichen Erwartungen gekommen, um vorläufig zu bleiben. Und die Notenbanken setzen nun auch alle Hebel in Bewegung, um sie wieder einzudämmen.