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Falschbewertungen im Internet Italien plant Ausweispflicht bei Rating – sinnvoll oder absurd?

Italien will gefälschten Bewertungen im Internet den Kampf ansagen. Ein geplantes Gesetz will mit einer Ausweispflicht sicherstellen, dass man überhaupt im bewerteten Restaurant oder Hotel war. Ein solches Gesetz gibt es in Europa bisher nicht. Der Nutzen sei zweifelhaft, sagt Andreas Liebrich, Dozent am Institut für Tourismus und Mobilität an der Hochschule Luzern.

Andreas Liebrich

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Der Wirtschaftswissenschaftler Andreas Liebrich ist Dozent für Digital Tourism an der Hochschule Luzern HSLU. Seine Forschungsschwerpunkte sind Digitalisierung im Tourismus, Tourismus-Marketing im digitalen Zeitalter und Datenmanagement in Tourismus.

SRF News: Wie könnte sich das geplante Gesetz auswirken?

Andreas Liebrich: Es würde sicher weniger Bewertungen geben. Ob es weniger Fake-Bewertungen gibt, wird sich weisen. Es wäre auf jeden Fall ein Riesenaufwand, denn die Ausweispflicht würde die Bewertenden aus aller Welt treffen und doch nur für Italien gelten. Man weiss zugleich, dass Fälscher immer raffinierter werden und dass gute Bewertungen einen Wert haben. Man kann sogar schlechte Bewertungen für die Konkurrenz einkaufen.

Rom.
Legende: Die Betrügereien mit Fake-Bewertungen im Internet richten Schäden unbekannten Ausmasses in Betrieben aller Art an. Die Bewertungsportale wollen zwar selbst aufpassen, doch die Kontrolle ist schwierig. Keystone/JEAN-CHRISTOPHE BOTT

Wie sinnvoll ist es, dass der Staat eingreift?

Grundsätzlich ist klar: Bewertungen werden sehr oft gelesen und sind auch entscheidungsrelevant. Italien würde aber wahrscheinlich ein Bürokratie-Monster schaffen. Zugleich müsste es ja im eigenen Interesse der Bewertungsportale sein, dass sie glaubwürdig bleiben. Mit einer zu hohen Quote an Fake-Reviews würden sie wohl letztlich gar nicht mehr angeschaut werden. Die Bewertungsportale haben zudem bessere Kontrollmöglichkeiten als der Staat. Sie haben das User-Profil, kennen allenfalls dessen Bewertungsverhalten und Standort, wenn sich der Kunde von der App tracken lässt.

Nach zwei Jahren müsste der Staat beispielsweise kontrollieren, ob der Barkeeper tatsächlich freundlicher geworden ist.
Autor: Andreas Liebrich Dozent für Tourismus und Mobilität, Hochschule Luzern

Unfaire Wettbewerbsvorteile, versteckte Werbung und Betrug verhindern – spricht nicht viel für die Idee?

Es spricht viel dafür, aber die Krux steckt im Detail: Wie etwa findet man Betrug heraus? In Italien kann man schlechte Bewertungen nach zwei Jahren löschen lassen kann, wenn man die Behebung des Mangels nachgewiesen hat. Doch in diesen zwei Jahren hat sich die mutmasslich falsche Bewertung bereits auf einen Betrieb ausgewirkt. Und danach müsste beispielsweise der Staat kontrollieren, ob der Barkeeper tatsächlich freundlicher geworden ist.  Eine solche staatliche Kontrolle würde bei den Betrieben zunächst wohl viele Erwartungen wecken, aber letztlich ziemlich wirkungslos bleiben.

Seit Jahren geistern Zahlen von mutmasslich gefälschten Bewertungen zwischen zehn und 40 Prozent herum. Der Nachweis ist nicht erbracht.
Autor: Andreas Liebrich Dozent für Tourismus und Mobilität, Hochschule Luzern

Wie können aktuell Bewertungen kontrolliert und überwacht werden?

Das wird immer schwieriger und die Fälscher werden immer raffinierter. Man kann die Profile kontrollieren, wenn etwa von einer Adresse sehr viele schlechte Bewertungen auf einmal eingehen. Das geschieht zum Teil maschinell. Die Bewertungsportale weisen in ihren Nutzungsbedingungen darauf hin, dass gefälschte Inhalte nicht erlaubt seien und etwas bei Verdachtsfällen getan werde. Seit Jahren geistern Zahlen von mutmasslich gefälschten Bewertungen zwischen zehn und 40 Prozent herum. Der Nachweis ist nicht erbracht. Ziemlich gut untersucht ist allerdings der Effekt von guten und schlechten Bewertungen. Wenn ein Lokal Nummer eins ist in der Stadt, schenkt das umsatzmässig ein.

In der Schweiz gibt es wahrscheinlich weniger gefälschte Bewertungen als im Ausland. Ich gehe von Einzelfällen aus.
Autor: Andreas Liebrich Dozent für Tourismus und Mobilität, Hochschule Luzern

Wie ist die Lage bei Fake-Bewertungen in der Schweiz?

In der Schweiz gibt es wahrscheinlich weniger gefälschte Bewertungen als im Ausland. Ich gehe von Einzelfällen aus, wo Betrieben von Konkurrenten oder anderen Personen willentlich geschadet werden soll. Das Gegenmittel: Möglichst schnell zufriedene Kundinnen und Kunden animieren, substanziell gute Bewertungen zu schreiben. Das gilt nicht als Fälschung, aber zahlen darf man dafür nicht.

Das Gespräch führte Tim Eggimann.

SRF 4 News, 23.01.2025, 06:45 Uhr ; 

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