Der Paradeplatz, wo sich die Grossbanken Credit Suisse und UBS gegenüberstehen, gilt als Inbegriff des Schweizer Finanzplatzes. Doch die Finanzkrise 2008 hat die Banken nachhaltig unter Druck gesetzt. Die Versicherer spürten die Krise weniger stark und holten stetig auf. Der Mythenquai – die Versicherungsmeile am linken Zürichsee-Ufer – läuft dem Paradeplatz den Rang ab.
Vor 2008 trugen die Banken den grössten Teil zur Bruttowertschöpfung auf dem Finanzplatz Zürich bei. Dann traf die Finanzkrise die Grossbanken wie Credit Suisse und UBS besonders hart. Neue Bankenregulierungen im Zuge der Finanzkrise führten zu einem Strukturwandel, der für die Banken höhere Kosten bedeutete. Ertragsstarke aber risikoreiche Divisionen wie das Investment-Banking wurden zurückgestutzt.
Versicherungen überholen Banken
Die Versicherer spürten die Krise weniger stark und sind seit 2010 wieder gewachsen. Die Wertschöpfung der Versicherer überholte 2015 jene der Banken, wie die Studie Finanzplatz Zürich 2019/2020 von BAK Economics zeigt.
Dieses Wachstum erklärt sich Swiss Life-Präsident Patrick Frost mit dem Sicherheitsbedürfnis der Kunden nach der Finanzkrise. «Als Versicherungsbranche können wir unseren Kunden Risiken abnehmen.» So sei dieses Bedürfnis in den letzten zehn Jahren stark angestiegen, sagt Frost.
Ein weiterer Grund für die positive Entwicklung sieht der Chef der zweitgrössten Schweizer Versicherung im Geschäft mit KMUs. «Wenn sie wachsen, geht es uns auch gut», sagt Frost.
Herbert Scheidt, Präsident der Bankiervereinigung, gibt sich zum Bedeutungsverlust der Banken gelassen. «Wichtig ist, dass der Finanzplatz als Ganzes wächst und wettbewerbsfähig ist.» Viele Banken hätten Teile ihrer Aktivitäten ausgelagert, sagt Scheidt, darum würde dieser Teil der Wertschöpfung nicht zu den Banken gezählt.
Umwälzung auf dem Arbeitsmarkt
Der Wandel der Finanzbranche zeigt sich auch auf dem Arbeitsmarkt: Zwischen 2008 und 2016 haben Versicherungen 1600 neue Vollzeitstellen geschaffen auf dem Finanzplatz Zürich, zu dem auch die Kantone Zug und Schwyz gehören. Im gleichen Zeitraum haben die Banken 2300 Arbeitsplätze abgebaut, wie die Zahlen der Studie zeigen.
«Im Herz getroffen»
Die Finanzkrise habe insbesondere die Banken im Herz getroffen, sagt die Zürcher Volkswirtschaftsdirektorin Carmen Walker Späh. Die Finanzindustrie sei nach wie vor die wichtigste Arbeitgeberin im Grossraum Zürich. «Für mich ist es eine Freude zu sehen, dass man das ausgleichen konnte durch die Versicherungsbranche.»
Nun sieht sie den Finanzplatz in einer guten Verfassung. «Er hat sich von der Finanzkrise erholt und seine Hausaufgaben gemacht. Darum ist es wichtig, dass wir ihm weiterhin Sorge tragen», sagt Walker Späh. Der Mythenquai mauserte sich zum Rückgrat des hiesigen Finanzplatzes. Er korrigiert, was der Paradeplatz verliert.