Die Terroranschläge der Hamas und die Angriffe Israels auf den Gazastreifen rufen ungute Erinnerungen wach: So boykottierten die arabischen Ölförderländer vor 50 Jahren die westlichen Staaten, die Israel im Yom-Kippur-Krieg unterstützt hatten.
Der Ölpreis stieg damals kurzfristig auf das Vierfache und die Weltwirtschaft stürzte in eine Rezession. In der Schweiz gab es autofreie Sonntage, und der Bundesrat erwog gar eine Benzinrationierung.
UBS-Analyst: Lage nur bedingt vergleichbar
Bei der Grossbank UBS beobachtet Analyst Giovanni Staunovo die Rohstoff- und Ölmärkte seit langem. Dass der Ölpreis übers Wochenende nur um fünf Prozent gestiegen und seither gar wieder etwas gesunken ist, erklärt er so: «Es gibt grosse Unterschiede zu den 1970er-Jahren, als die Ölnachfrage noch jährlich um fünf bis acht Prozent gestiegen ist. Aktuell sind es ein bis zwei Prozent.»
Dazu sei damals die Angst vor zu wenig Produktionskapazitäten gekommen. Doch aktuell gebe es genügend Öl und keine Produktionsunterbrüche.
Einen weiteren Unterschied nennt Klaus-Jürgen Gern vom Kieler Institut für Weltwirtschaft: «Die von den Arabern dominierte OPEC, die Organisation der ölproduzierenden Länder, stellte sich 1973 geschlossen gegen Israel. Und sie setzte dabei das Erdöl erstmals als Waffe gegen die USA und die westlichen Länder ein, die Israel unterstützten.»
Ein wirtschaftlicher Schaden für die westliche Welt ist nicht im Interesse der Ölproduzenten.
Heute habe die OPEC kein Interesse an einer Zuspitzung der Lage an den Ölmärkten, sondern steuere den Preis gegenwärtig auf einem ihr genehmen Niveau, so Kern. Ein wirtschaftlicher Schaden des Westens sei nicht im Interesse der Ölproduzenten.
Gaspreis viel anfälliger
Deutlich stärker als der Ölpreis hat der Gaspreis reagiert. Er ist um fast ein Viertel gestiegen. Denn Israel schloss aus Sicherheitsgründen ein grosses Gasfeld im Mittelmeer vor der Küste von Gaza.
Dies könnte sich auch auf die europäische Gasversorgung auswirken, sagt die Ökonomin und Energie-Expertin Cornelia Meyer: «Weil man sich in Europa vom russischen Gas loskaufen wollte, wurde das Konstrukt von israelischem Gas über Pipelines nach Zypern und Griechenland wichtiger. Nun sieht man, dass das nicht so einfach ist.»
Zugleich sei das Erdgas aus dem nun geschlossenen Tamar-Feld auch für die Versorgung mit Flüssiggas wichtig. Ägypten etwa habe dadurch 20 Prozent der Gas-Importe eingebüsst.
Der Gasmarkt ist sehr angespannt, und der Preis reagiert recht kräftig auf jede Nachricht über Störungen.
Auch Gern macht sich mehr Sorgen ums Gas als ums Öl: «Dieses Gasfeld in Israel ist zwar nicht wirklich bedeutsam gemessen an der globalen Gasversorgung. Der Gasmarkt ist aber sehr angespannt und der Preis reagiert recht kräftig auf jede Nachricht über Störungen – wegen der fehlenden Flexibilität, irgendwo anders Gas zu bekommen», so Gern.
Dennoch scheine die Gasversorgung Europas für den Winter gesichert, da die Lager gut gefüllt seien und man vermehrt auf Flüssiggas setze, das man nicht nur aus Nahost beziehen könne, sagt Gern.
Entwarnung mit Vorbehalt
Die Fachleute geben also vorsichtig Entwarnung – doch mit Vorbehalt: Sollte sich der Konflikt ausweiten und etwa Iran direkt hineingezogen werden, könnte die Lage wieder anders aussehen.
Denn Iran hat in den letzten Monaten zunehmend Öl exportiert und die Lage auf dem Weltmarkt damit entspannt. Iran kontrolliert zugleich mit der Strasse von Hormus einen der wichtigsten Exportwege für nahöstliches Erdöl.