Der russische Krieg in der Ukraine treibt auch in der Schweiz die Energiekosten in die Höhe. Bereits fordern die Grünen autofreie Sonntage wie während der Ölkrise in den 1970er-Jahren. Damals drehten die arabischen Öl-Staaten den Hahn zu und verknappten das Angebot. So wollten sie den Westen zwingen, seine pro-israelische Position aufzugeben – nach dem Jom-Kippur-Krieg zwischen Israel und seinen arabischen Nachbarn.
Doch 2022 ist nicht 1973: Es gibt zwar Parallelen, aber auch klare Unterschiede zwischen damals und heute, wie Andreas Goldthau, Energieexperte an der Universität Potsdam erklärt.
Andreas Goldthau
Energieexperte
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Andreas Goldthau ist Politologe und forscht an der Universität Erfurt mit dem Schwerpunkt Öl und Gasmärkte. Seit 1. April 2022 leitet er dort auch die Willy Brandt School of Public Policy.
Damals trieben die hohen Ölpreise die Inflation auf bis zu 12 Prozent und die Schweiz in eine tiefe Rezession. Und auch weltweit kam es zu einer jahrelangen Phase der wirtschaftlichen Stagnation.
Als die Autos sonntags still standen
Doch die Organisation erdölexportierender Länder (Opec) habe damals auch einen sehr viel grösseren Marktanteil gehabt, erklärt Andreas Goldthau. Sie förderte seinerzeit 55 Prozent des Welt-Ölbedarfs. Russland dagegen liefert heute 5 Prozent auf den Ölmarkt. Sollte Russland also durch Sanktionen oder einen Lieferstopp effektiv ausfallen, so wären die Auswirkungen auf die Weltwirtschaft nach Einschätzung des Experten wohl kleiner als in den 1970er-Jahren.
Fünf Millionen Barrel, das ersetzt man nicht so einfach.
Dennoch müssten heute mehrere Öl-produzierende Staaten zusammenspannen, um das Exportvolumen von täglich fünf Millionen Fass russischen Öls zu ersetzen. «Fünf Millionen Barrel, das ersetzt man nicht so einfach», gibt Goldthau zu bedenken. «Diese Tatsache wird sich natürlich stark auf den Ölpreis auswirken.» Der Ölpreis könnte von 140 US-Dollar pro Fass durchaus noch weiter ansteigen, so der Professor für Energie und Nachhaltigkeit.
Bundesrat Brugger: «Spare in der Zeit, so hast du in der Not»
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In den 1970er-Jahren drang den Menschen durch die Opec-Blockade schlagartig ins Bewusstsein, wie stark man vom Öl aus den arabischen Ländern abhängig war. Der Ölverbrauch müsse um 20 Prozent gesenkt werden, forderte Bundesrat Ernst Brugger damals: «Wir glauben, dass man mit der Geschwindigkeitsbeschränkung und dem Sonntagsfahrverbot etwa 10 Prozent einsparen können. Für die weiteren 10 Prozent appellieren wir an die Vernunft der Bevölkerung: Helfen Sie mit», sagte er und fügte an: «Spare in der Zeit, so hast du in der Not.»
Die Massnahmen wirkten zwar, doch trieben die hohen Ölpreise die Inflation auf bis zu 12 Prozent und die Schweiz in eine tiefe Rezession. Und auch weltweit kam es zu einer jahrelangen Phase der wirtschaftlichen Stagnation.
Doch ein höherer Ölpreis – das zeige der Rückblick – habe nicht nur negative Folgen: Man habe nach 1973 damit begonnen, sich mehr Gedanken über den Einsatz des kostbaren Stoffs zu machen. «Die Energieeffizienz wurde stark erhöht», sagt Andreas Goldthau. «Wir produzieren heute, verglichen mit 1973, mit etwa der Hälfte an Öl dasselbe Inlandsprodukt.»
Und noch ein Punkt hat sich verändert: Heute sei klar, dass das fossile Zeitalter zu Ende gehe. Auch die Schweiz hat schon vor dem Ukraine-Krieg für die nächsten Jahre 16 Milliarden Franken Fördergelder bereitgestellt. Die aktuellen Debatten dürften den Abschied vom Öl noch beschleunigen. «Wenn nicht jetzt, wann dann», betont Goldthau.
Echo der Zeit, 13.03.2022, 18:00 Uhr
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srf/geta;sibl
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