Der russische Krieg in der Ukraine treibt auch in der Schweiz die Energiekosten in die Höhe. Bereits fordern die Grünen autofreie Sonntage wie während der Ölkrise in den 1970er-Jahren. Damals drehten die arabischen Öl-Staaten den Hahn zu und verknappten das Angebot. So wollten sie den Westen zwingen, seine pro-israelische Position aufzugeben – nach dem Jom-Kippur-Krieg zwischen Israel und seinen arabischen Nachbarn.
Doch 2022 ist nicht 1973: Es gibt zwar Parallelen, aber auch klare Unterschiede zwischen damals und heute, wie Andreas Goldthau, Energieexperte an der Universität Potsdam erklärt.
Damals trieben die hohen Ölpreise die Inflation auf bis zu 12 Prozent und die Schweiz in eine tiefe Rezession. Und auch weltweit kam es zu einer jahrelangen Phase der wirtschaftlichen Stagnation.
Als die Autos sonntags still standen
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Bild 1 von 9. Eine Polizeipatrouille kontrolliert ein Auto an einem der autofreien Sonntage im November/Dezember 1973 in der Schweiz. Bildquelle: Archiv/Keystone.
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Bild 2 von 9. Auf dem Höhepunkt der Erdölkrise wurden 1973 in der Schweiz einige autofreie Sonntage eingeführt, was diesen Passanten den seltenen Anblick einer leeren Autobahn bescherte. Aufgenommen in Basel. Bildquelle: Archiv/Keystone.
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Bild 3 von 9. Velofahrer geniessen die leeren Strassen. Aufgenommen am 21. November 1973 vor der Kaserne in Zürich. Bildquelle: Keystone/Photopress-Archiv.
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Bild 4 von 9. Viele unbenutzte Spuren auf der Autobahn: Um den Ölverbrauch zu verringern, ordnete der Bundesrat im November 1973 drei autofreie Sonntage sowie Tempo 100 auf den Autobahnen an. Man erhoffte sich davon eine Benzin-Einsparnis von 10 Prozent. Aufgenommen in Zürich 1973. Bildquelle: Archiv/Keystone.
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Bild 5 von 9. Taxis stauen sich vor dem Zürcher Hauptbahnhof, im Hintergrund ein Bus der Zürcher Verkehrsbetriebe, aufgenommen im November 1973. Taxis und der öffentliche Verkehr durften ihren Betrieb aufrechterhalten. Bildquelle: Keystone/Photopress-Archiv.
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Bild 6 von 9. Wie ausgestorben wirkten Strassen und Kreuzungen in der Stadt Zürich, an denen sich sonst Fahrzeugkolonnen stauten. Aufgenommen am 25. November 1973. Bildquelle: Keystone/Photopress-Archiv.
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Bild 7 von 9. Nicht nur in der Schweiz gab es autofreie Sonntage: Im Bild reitet ein Fotograf der Agentur AP auf einem Pony durch die Innenstadt von Rom. Aufgenommen am 2. Dezember 1973. Bildquelle: Archiv/Keystone/AP.
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Bild 8 von 9. Und auch in Deutschland standen die Autos still. Im Bild: Velofahrer auf der Autobahn bei Düsseldorf am 25. November 1973. Bildquelle: Archiv/Keystone/AP.
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Bild 9 von 9. Tankstelle in Perkasie, Pennsylvania, am 1. Juni 1973. Bildquelle: Archiv/Keystone/AP.
Doch die Organisation erdölexportierender Länder (Opec) habe damals auch einen sehr viel grösseren Marktanteil gehabt, erklärt Andreas Goldthau. Sie förderte seinerzeit 55 Prozent des Welt-Ölbedarfs. Russland dagegen liefert heute 5 Prozent auf den Ölmarkt. Sollte Russland also durch Sanktionen oder einen Lieferstopp effektiv ausfallen, so wären die Auswirkungen auf die Weltwirtschaft nach Einschätzung des Experten wohl kleiner als in den 1970er-Jahren.
Fünf Millionen Barrel, das ersetzt man nicht so einfach.
Dennoch müssten heute mehrere Öl-produzierende Staaten zusammenspannen, um das Exportvolumen von täglich fünf Millionen Fass russischen Öls zu ersetzen. «Fünf Millionen Barrel, das ersetzt man nicht so einfach», gibt Goldthau zu bedenken. «Diese Tatsache wird sich natürlich stark auf den Ölpreis auswirken.» Der Ölpreis könnte von 140 US-Dollar pro Fass durchaus noch weiter ansteigen, so der Professor für Energie und Nachhaltigkeit.
Doch ein höherer Ölpreis – das zeige der Rückblick – habe nicht nur negative Folgen: Man habe nach 1973 damit begonnen, sich mehr Gedanken über den Einsatz des kostbaren Stoffs zu machen. «Die Energieeffizienz wurde stark erhöht», sagt Andreas Goldthau. «Wir produzieren heute, verglichen mit 1973, mit etwa der Hälfte an Öl dasselbe Inlandsprodukt.»
Und noch ein Punkt hat sich verändert: Heute sei klar, dass das fossile Zeitalter zu Ende gehe. Auch die Schweiz hat schon vor dem Ukraine-Krieg für die nächsten Jahre 16 Milliarden Franken Fördergelder bereitgestellt. Die aktuellen Debatten dürften den Abschied vom Öl noch beschleunigen. «Wenn nicht jetzt, wann dann», betont Goldthau.