Plötzlich ist die Inflation wieder da. Nach einem Jahrzehnt ohne Preissteigerungen werden derzeit Raten im hohen einstelligen Prozentbereich in Europa und in den USA gemessen. Auch in der Schweiz steigen die Preise merklich. Ein wichtiger Treiber sind fossile Energieträger wie Öl und Gas, die teurer geworden sind. Aus Sicht des Klimaschutzes ist dies eigentlich eine gute Entwicklung. Nur trifft die Inflation tiefe Einkommen stärker als hohe.
Was wird teurer?
«Inflation ist nicht gleich Inflation», betont Martin Eichler, der Chefökonom des Wirtschaftsforschungsinstituts BAK Economics. «Es hängt sehr davon ab, welche Güter teurer werden. Das führt zu Verhaltensänderungen. Dies ist durchaus ein gewünschter Effekt, wenn wir an die Entwicklung der Dekarbonisierung der Wirtschaft denken.»
Bei 60 Dollar pro Fass bleibt der Ölkonsum sehr gross. Und es gibt noch Ölreserven. Wenn man alles verbrennt, ist die Klimakatastrophe sicher.»
Wenn fossile Energieträger teurer werden, sei das tatsächlich begrüssenswert, sagt der Waadtländer SP-Nationalrat Roger Nordmann, der sich für den Ausbau der Erneuerbaren in der Schweiz engagiert. Er relativiert aber zugleich: «Es ist sicher attraktiver, in ein Elektroauto zu investieren, wenn die Preise für Benzin und Gas etwas höher sind. Aber das wird nicht die Lösung des ökologischen Problems sein. Bei 60 Dollar pro Fass bleibt der Ölkonsum sehr gross. Und es gibt doch noch einige Reserven. Wenn man alles verbrennt, ist die Klimakatastrophe sicher.»
Mieterinnen und Mieter sind benachteiligt
Dazu kommt, dass die höheren Energiepreise Leute mit tieferen Einkommen am stärksten treffen. Martin Eichler von BAK Economics stellt fest: «Man sieht ganz klar, dass ärmere Haushalte einen wesentlich grösseren Anteil fürs Wohnen inklusive Energie – gemeint sind die Wohnnebenkosten – ausgeben.» Zudem haben ärmere Haushalte in der Regel nicht die Möglichkeit, auf günstigere erneuerbare Energien umzusteigen. Oft fehlt das Geld, um ein Elektroauto anzuschaffen. Und als Mieterin oder Mieter hat man keinen Einfluss auf die Wahl der Heizung.
Man könnte mit gezielten Hilfen wie Heizkostenzuschüssen beim Wohngeld eingreifen, wenn es nötig ist.
Ökonom Eichler sagt, wie weniger begüterte Menschen geschützt werden können: «Man sollte sicher bei den Sozialleistungen relativ schnell Anpassungen an das neue Preisniveau vornehmen. Das ist ein Aspekt, der oft mit grosser Verzögerung erfolgt. Man könnte auch mit gezielten Hilfen wie Heizkostenzuschüssen beim Wohngeld eingreifen, wenn es nötig ist.» Allerdings werde zumindest in der Schweiz der Effekt der höheren Energiepreise bisher durch tiefere Preise für andere Produkte des täglichen Bedarfs mehr oder weniger kompensiert, betont Eichler.
Nötig sind Investitionen
Der sozialdemokratische Energiepolitiker Nordmann warnt: «Die einfachste demagogische Antwort wäre: Öl und Gas subventionieren. Aber das wäre völlig absurd. Es würde ewig kosten und es würde das Problem nicht an der Wurzel packen. Die einzige Lösung ist, dass man investiert.» Gemeint sind Investitionen in Technologien, die ohne Öl und Gas auskommen.
Vermieter beispielsweise sollen unterstützt werden, wenn sie eine umweltfreundliche Heizung einbauen, die Mieten dürften sie dabei aber nicht erhöhen, so die Forderung der von Roger Nordmann. Bürgerliche Politikerinnen und Politiker setzen derweil auf höhere Abgaben, die das Verhalten lenken sollen. Die Frage, ob Investitionshilfen oder Lenkungsabgaben besser sind und was die tieferen Einkommen stärker trifft, wird die Schweiz weiter beschäftigen, insbesondere wenn es ums neue CO2-Gesetz geht.