«Wir befürchten eine starke Zunahme der Anzahl Menschen, die Sozialhilfe in Anspruch nehmen müssen.» Das sagt Christoph Eymann, Präsident der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (Skos) und Nationalrat der LDP/BS im Interview mit «ECO».
Die Skos rechne mit verschiedenen Szenarien: «Wir gehen im besten Fall davon aus, dass es etwa 36'000 Menschen mehr sind, im schlimmsten Fall etwa 55'000 mehr, die Sozialhilfe beziehen müssen.»
Mehrausgaben bis 1.3 Milliarden Franken
In einem internen Papier, das «ECO» vorliegt, hat die Skos diese Zahl allerdings mittlerweile nach oben korrigiert: auf bis zu 60'000 Personen.
Fest steht: Die Kosten sind immens. «Das gibt pro Jahr Mehrausgaben für Kantone und Gemeinden zwischen 850 Millionen Franken und etwa 1.3 Milliarden Franken – je nach Szenarium, das dann eintritt», sagt Skos-Präsident Eymann. Das könnte Gemeinden und Kantone an die Grenze der finanziellen Belastbarkeit bringen, befürchtet die Skos.
Heute leben 270'000 Menschen von Sozialhilfe. Diese kommt dann zum Zug, wenn Arbeitslosenunterstützung nach zwei Jahren ausläuft und allfälliges Vermögen weitgehend aufgebraucht ist.
Laut der Skos bezogen Ende April 1.91 Millionen Personen Kurzarbeitsentschädigung, 153'000 Personen Arbeitslosentaggelder und rund 200'000 Menschen Erwerbsersatzentschädigung. Das heisst, 45 Prozent der 5.1 Millionen Erwerbstätigen mussten unterstützt werden.
Selbständig-Erwerbende stark betroffen
«Speziell betroffen sind die Selbständig-Erwerbenden, die in Nischen-Bereichen tätig waren, die also nicht ein etabliertes Geschäft haben mit soundso vielen Angestellten, sondern sich einfach durchgeschlagen haben und selbständig waren», sagt Eymann.
Je nachdem, wie sich der Markt entwickle, werde sich zeigen, ob ihre Dienstleistungen und Produkte noch gefragt seien: «Wir rechnen damit, dass es einige nicht schaffen werden, in der Selbstständigkeit zu bleiben und sie zur Sozialhilfe kommen.»
Kaum Geld für Nahrungsmittel
Die Covid-19-Pandemie hat viele Menschen in Not gebracht, die vorher gerade noch so durchkamen. Das beobachten auch Hilfsorganisationen.
Karin Bortoletto leitet die Winterhilfe St. Gallen: «Sie können ihre Fixkosten nicht mehr zahlen. Das kann Miete sein oder die Krankenkassenprämie. Teilweise zahlen die Leute das dann auch. Dafür bleibt ihnen kaum mehr etwas, um Essen zu kaufen.»
Die Winterhilfe Schweiz hat im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie bisher Unterstützungsbeiträge und Lebensmittelgutscheine in der Höhe von 320’000 Franken gezahlt.
Möglich gemacht wurde das auch durch eine Sammlung der Glückskette: Sie unterstützt mit bisher über zehn Millionen Franken Organisationen wie das Schweizerische Rote Kreuz, Winterhilfe, Caritas oder Heilsarmee, die alle Soforthilfe leisten.
Warten, bis es nicht mehr geht
Es habe sie sehr berührt, sagt Bortoletto, wie lange die Leute versucht hätten, sich durchzubeissen und selbst zurechtzukommen: «Es gab Leute, die tagelang vor unserem Formular sassen, bis sie es ausgefüllt haben.»