Frauen interessieren sich laut einer Umfrage deutlich weniger für Wirtschaftsthemen als Männer. Bei den Männern zeigen 39.6 Prozent Interesse, bei den weiblichen Befragten sind es 21.8 Prozent.
Ein Grund könnten komplexe Fachtermini, Jargon und komplexe Sprache sein. Zudem nehmen Leserinnen Wirtschaftsthemen oftmals als «männlich» wahr. «Wenn Frauen sich nicht repräsentiert fühlen, beachten sie die Berichte auch weniger», sagt Medienwissenschaftlerin Sarah Marschlich.
Die Studie des Forschungszentrums Öffentlichkeit und Gesellschaft (fög), die Marschlich mitverfasst hat, verweist dabei aber auf die Vergangenheit – denn die Zeiten, in denen die Frauen generell wenig zu Wort kamen, sind durch mehr Präsenz der Frauen in der Realwirtschaft und den Initiativen der Medienhäuser vorbei.
Wenn Frauen sich nicht repräsentiert fühlen, beachten sie die Berichte auch weniger.
Zwar sitzen immer noch mehr Männer als Frauen auf den Chefsesseln, doch die Verhältnisse verschieben sich leicht zugunsten der Frauen. Das hat auch mit den Geschlechterrichtwerten im Aktienrecht zu tun. Demnach soll in börsenkotierten Unternehmen 20 Prozent der Geschäftsleitung weiblich besetzt sein, 30 Prozent in Verwaltungsräten.
Der höhere Frauenanteil in den Chefetagen führt dazu, dass auch vermehrt Chefinnen in den Medien zu Wort kommen.
Mehr Expertinnen kommen zu Wort
Zugleich sind sich viele Medienhäuser bewusst, dass die Lebenswelten von Frauen in der Vergangenheit oft nur einseitig und stereotypisch dargestellt wurden. Das ändert sich nun: Die Lebenswelten von Frauen werden bewusst vielfältiger dargestellt. Sie kommen vermehrt auch als Expertinnen zu Wort.
Viele Redaktionen arbeiten systematisch daran, die Geschlechter ausgeglichen darzustellen. Die Redaktion von Tamedia, zu der grosse Tageszeitungen wie der «Tagesanzeiger», «Berner Zeitung» oder «Basler Zeitung» gehören, hat zum Beispiel bereits vor zwei Jahren beschlossen, dass Expertinnen und Frauen in ihren unterschiedlichen Rollen besser sichtbar gemacht werden sollen.
Wirtschaftsthemen sollen nicht abstrakt abgehandelt werden, sondern aus der Perspektive der Menschen, der Frauen als Angestellte, Staatsbürgerinnen, Steuerzahlerinnen, Versicherte, Eigentümerinnen, Mieterinnen etc.
Bei CH Media («Luzerner Zeitung», «Aargauer Zeitung» und weitere) interessiert lokale Wirtschaft zwar Frauen wie Männer. Dennoch achten die Journalistinnen und Journalisten auf Diversität, sowohl bei den Themen als auch bei der Auswahl der Gäste.
Die Wirtschaftsmedien von Ringier und Axel Springer («Cash», «Handelszeitung») haben sich dem Projekt EqualVoice angeschlossen. Ziel der von Ringier lancierten Initiative ist es, die Gleichstellung von Frauen und Männern voranzutreiben. Dabei wird mithilfe einer wissenschaftlichen Methode der sogenannte Equal-Voice-Faktor gemessen. Die Redaktion führt zudem auch ein eigenes, internes Recherche-Tool, um Expertinnen schneller zu finden.
Auch in den Redaktionen von SRF – und damit auch in den Wirtschaftsredaktionen – spielt die Gleichberechtigung eine zentrale Rolle (siehe Box).
Doch was bringen die Bestrebungen? Sie haben einiges bewegt. Auswertungen des fög zeigen: Der Frauenanteil in Wirtschaftsberichten diverser Medien hat sich erhöht. Lag er 2015 erst bei 16 Prozent, sind es nun 23.3 Prozent.
Die Suche nach Expertinnen führt derweil bei den Fachfrauen zu einem regelrechten Ansturm. Isabel Martinez zum Beispiel, Ökonomin an der Konjunkturforschungsstelle KOF der ETH Zürich, sagt: «Ich spüre das grössere Interesse der Medien an Frauen». Könne sie bei einer Frage nicht weiterhelfen und verweise auf männliche Kollegen, würden Journalisten oftmals nach einer Frau fragen.
Wie aber geht es weiter? Steigt das Interesse der Frauen an Wirtschaft, weil die Wirtschaft weiblicher wird und Medien entsprechend anders darüber berichten? Ja, wenn Frauen in ihren vielfältigen Rollen zu Wort kommen – als Expertin, als Stimmbürgerin, Chefin, Angestellte, als Konsumentin oder Steuerzahlerin. Eine Hürde sind Stereotypen und veraltete Rollenbilder, die sich hartnäckig halten.