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Freihandel um jeden Preis? «Die Schweiz hat viel zu verlieren»

Etwas, womit die bilateralen Beziehungen zu den USA gestärkt werden sollen, ist ein Freihandelsabkommen. Schon einmal hatte man über eines verhandelt, 2006 scheiterte es aber am Widerstand der Schweizer Bauern. Ob es diesmal gelingen wird? Manfred Elsig vom World Trade Institute in Bern ist skeptisch.

Manfred Elsig

Politologe

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Manfred Elsig ist Professor für Internationale Beziehungen und stellvertretender Geschäftsführer am World Trade Institute (WTI) der Universität Bern.

SRF News: Sind neue Freihandelsgespräche mit den USA eine gute Idee?

Manfred Elsig: Der Schweiz bleibt eigentlich gar nichts anderes übrig, als Gespräche mit der US-Regierung über einen neuen Handelsvertrag zu führen. Dies, weil sie wie viele andere Länder unter Druck steht. Sie hat einen Handelsbilanzüberschuss mit den USA, vor allem im Bereich Güter, und die jetzige Administration möchte dieses Handelsbilanzdefizit abbauen.

Rund 500'000 Menschen sind bei Schweizer Tochterunternehmen in den USA angestellt. Als Direktinvestorin hat die Schweiz doch auch Gewicht?

Absolut. Die Handelsbeziehungen sind sehr gut zur Zeit. Die Exporte in die USA steigen ständig, die Handelsbarrieren sind eigentlich recht minimal. Die wirtschaftlichen Effekte eines Abkommens wären also nicht sehr gross. Darum ist es für die Schweiz derzeit auch nicht prioritär, eines auszuhandeln.

Die Initiative geht von den Amerikanern aus, nicht von der Schweiz.

Warum ist die Schweizer Regierung dennoch so erpicht darauf?

Die Schweiz versucht hier auch ein bisschen prophylaktisch vorzugehen, das Spiel der US-Administration mitzuspielen und sich kooperativ zu geben. Die Initiative geht von den Amerikanern aus, nicht von der Schweiz. Es macht – aufgrund der Diplomatie und der guten Beziehungen – durchaus Sinn, dass man hier erste Gespräche führt und herausfindet, wo die Interessen sind.

Beim Freihandel mit China argumentierte die Schweiz, man wolle schneller sein als die EU. Ist es bei den USA auch wichtig, schneller zu sein?

Nein, es geht nicht um einen sogenannten «First Mover Advantage». Sondern darum, strategisch vorzugehen und sich keine Schwierigkeiten einzubrocken mit den USA. Dieser Vertrag wird, wenn er denn ausgehandelt ist, Dinge beinhalten wie Lockerungen der Schutzklauseln in der Landwirtschaft, Importerleichterungen für US-Produkte oder gentechnologische Organismen. Die gleichen Themen, die wir 2006 hatten, werden wieder auftauchen.

Die USA suchen neue Absatzmärkte, weil die Exporte nach China jetzt zurückgehen.

Die USA suchen neue Absatzmärkte, weil die Exporte nach China jetzt zurückgehen. Und man muss das auch vor dem Hintergrund sehen, dass es hier nicht wirklich um Handelserleichterungen geht, sondern die USA möchten mehr Unternehmungen ins Land locken – etwa durch die Steuerreform.

Die Schweiz hat also viel zu verlieren?

Die Schweiz hat viel zu verlieren, wenn sie nicht in Gespräche tritt. Der Bundesrat versucht, das Ganze so zu porträtieren, als ob ein Abkommen im Interesse der Schweizer Wirtschaft sei. Ich denke, das ist es nicht. Die Verhandlungen können Monate bis Jahre dauern. Es besteht die Hoffnung, dass eine andere US-Regierung dann weniger Druck ausübt, sodass man Zugeständnisse bekommt in Bereichen, in denen die Schweiz Interessen hat.

Ein erster Versuch eines Freihandelsabkommens mit den USA scheiterte an den Bauern. Gibt es Garantien, dass dies nicht wieder passiert?

Die innenpolitische Diskussion wird beginnen, wenn ein Vertragsentwurf vorliegt. In den Verträgen mit Kanada und Mexiko steht beispielsweise, dass sie keine Verträge mehr mit China eingehen dürfen. Ich erwarte, dass die USA Druck machen werden auf die Schweiz, damit sie ihren Handelsvertrag mit China nicht modernisiert. Das innenpolitisch zu verkaufen, wird sehr schwer.

Das Gespräch führte Beat Soltermann.

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