Wie kaum je zuvor haben in den vergangenen Wochen Pharma- und Biotechnologie-Unternehmen rund um den Erdball kooperiert: Rund 140 verschiedene Stoffe werden derzeit auf ihre Wirksamkeit gegen das neue Coronavirus untersucht.
Auch in der Schweiz suchen Forscher nach Medikamenten. Vielversprechend sind Wirkstoffe auf der Basis von Antikörpern. Das Unternehmen Neurimmune zum Beispiel verfolgt ein Konzept, wonach Antikörper nicht direkt eingesetzt werden, sondern die Zellen von Corona-Patienten so angeregt werden, dass sie die Antikörper selbst produzieren.
Aber nicht nur neue Methoden und Wirkstoffe versprechen Hoffnung. Im Fokus der Forschung stehen auch existierende Arzneimittel, die bereits gegen andere Krankheiten zugelassen sind.
Dazu gehören beispielsweise Malaria-Wirkstoffe oder auch Medikamente gegen die Immunschwächekrankheit Aids. Auch die Schweizer Pharmakonzerne Roche und Novartis verfügen über Medikamente, die Corona-Patienten helfen könnten. Roche testet zum Beispiel, ob das Arthritis-Medikament Actemra den Corona-Intensivpatienten hilft.
Kooperationen und Pragmatismus
Die Pharmahersteller geben sich dabei grosszügig: Novartis spendet 130 Millionen Dosen des Malaria-Wirkstoffs Hydroxychloroquin. Zudem hat sich das Unternehmen zwei branchenübergreifenden Forschungsinitiativen angeschlossen.
Die Kooperationen und der Pragmatismus zeigt sich auch im Kleinen: Die Firma Memo Therapeutics in Schlieren (ZH), die für die Entwicklung ihres Wirkstoffes Blut von früheren Patienten untersucht, hat mit einer Hausarztpraxis in der Stadt Zürich eine Partnerschaft gefunden: Das Blut wird Patienten entnommen und von einem Velokurier nach Schlieren zur Analyse transportiert.
«Zudem hatten wir in Rekordzeit eine Bewilligung der Ethikbehörden des Kantons», sagt Firmengründer Christoph Esslinger. Auch Roger Nitsch von Neurimmune betont: «Es herrscht in der ganzen Branche eine noch nie dagewesene Zusammenarbeit».
Muskelspiele wären unangebracht
Doch woher rührt die neue Harmonie in einer Branche, die sich in normalen Zeiten die begehrten Patente abjagt?
Selbst Kritiker nehmen das Handeln der Branche in der aktuellen Krise wohlwollend zur Kenntnis. Die Branche sei sich bewusst, dass sie momentan im Schaufenster der Welt steht. Muskelspiele wären unangebracht. Es gehe auch um den Goodwill für die Zeiten nach der Krise. Dann würden nämlich die Margen für innovative, spezialisierte Therapien im Vordergrund stehen.
Dennoch könnte die Zusammenarbeit im Kampf gegen das Coronavirus weiter gehen. Die Organisation Public Eye fordert etwa, dass die Unternehmen auf den Patentschutz verzichten, der bei potenziellen Medikamenten besteht. Dies würde gemäss Public Eye auch dem Verteilkampf vorbeugen, da jedes Land und jedes Unternehmen die Wirkstoffe dann kopieren könnte.